Atlantic Crossing mit einem 'plot twist'

    • Offizieller Beitrag

    Heute ging es von Washington nach London (so zumindest der Plan), doch mir kam da was dazwischen. Wollte dazu mal einen etwas ausführlicheren Bericht schreiben. Los geht's :)


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    Willkommen auf unserem Flug von Washington Dulles (KIAD/IAD) nach London Luton (EGGW/LTN). Wir reden nicht viel drumherum, hier unsere Route auf dem SigWX-Chart.


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    Unser Route heute führt uns in westliche Richtung aus Washington raus, um dann Richtung Osten zu drehen. Wir passieren Baltimore und folgen Long Island auf den Atlantik raus. Landfall haben wir dann wieder am 'Land's End' in England, entlang der Südküste geht es dann über London drüber nach Luton rein.


    Unsere Fuelplannung für heute:




    Und hier ist die N721UF (sollte einigen hier bekannt sein). Wir legen im frühen Morgengrauen los.


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    Hier rollen wir raus zur Runway 30, die vor allem nachts für den Abflug genutzt wird, weil man dort über ein Waldgebiet abfliegt. Nach etwa 10 Minuten Rollen (Parkposition am anderen Ende des Flughafens sei dank), sind wir dann auch an der Runway angekommen und Ready to go.


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    Die Cruise-Phase verlief soweit ruhig, abeam Boston erleben wir einen schönen Sonnenaufgang und auch das Crossing verlief soweit ruhig. Jetz aber zum PLOT TWIST:

    Kurz hinter 47N030W fing die Oil Temperature auf Engine #2 an, zu steigen. Als Versuch, dem entgegenzuwirken, haben wir das Engine zurück in den IDLE gezogen, hat aber leider nichts gebracht. Erstmal das QRH ausgepackt.


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    Natürlich sank die Öltemperatur nicht mehr, also weiter zum Shutdown. Damit einhergehend war auch der Driftdown von Level 410 auf 250, deswegen fliegt man über dem Atlantik erstmal einen Offset, um im Sinkflug nicht von anderen Flugzeugen unangenehm überrascht zu werden. Als das erledigt war, wurde dann das Triebwerk abgeschaltet. QRH sagt dazu:


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    Restart kam eher nicht in Frage, also stand jetzt die Frage im Raum, was als nächstes geschieht. Die N721UF ist ETOPS 180 zertifiziert, geplante ETOPS-Alternates waren Gander (CYQX) und Shannon (EINN). Zum Zeitpunkt des Engine Failures waren wir allerdings nur knapp 500 Meilen von Lajes entfernt, während es rund 750 nach Shannon gewesen wären. Zudem sah das Wetter auf den Azoren einiges besser aus und mit Lajes hat man auch einen Flugplatz mit genügender Infrastruktur. Die Entscheidung, nach Lajes zu fliegen, war schnell gefasst, und so wurde Kurs auf das LM VOR genommen.


    Hier schon nach gelungenem Driftdown auf FL250. Speed und Engine Setting gewählt nach dem Engine Inoperative Long Range Cruise Control Chart (was ein Name...)


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    Der Long Range Cruise Control Chart gibt für ein gegebenes Gewicht und eine gegebene Höhe die besten Thrust- und Speedsettings. Hier markiert, was genutzt wurde:


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    Zurück zur Landung - da in Lajes kein Wind gemeldet war, habe ich mich für den kürzeren Flugweg und damit das ILS 15 entschieden. Das sieht dann so aus.


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    Engine Out-Landings in der 737 werden mit Flaps 15 durchgeführt, worauf wir uns auch vorbereitet haben. Mit einer relativ leeren 737 kein Problem.


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    Kurz vor dem ILS entschied ich mich aufgrund des starken Rückenwinds noch, eine Bleed Off-Landing zu machen - dabei werden beide Engine-Bleeds sowie ein Pack ausgeschaltet und das Isolation Valve geschlossen. Dafür wird die APU-Bleed auf das übrig gebliebene Pack geschaltet. Im Falle eines Go-Arounds haben wir dann ein bisschen mehr Saft unter dem Flügel hängen.


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    Es geht in den Short Final - auch gut zu sehen der Rückenwind.


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    Nur wenige Sekunden später stellte sich die Entscheidung, eine Bleed-Off Landung zu machen, als gut raus.


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    Surprise Windshear. Aus Reflex habe ich die Engines gefirwalled (nicht ganz richtig, ich weiß, Kackn00b, Alt+F4, blabla :D ) Auf jeden Fall dann halt erstmal einen Single Engine Go-Around.


    Aufgrund des Windes dann umentschieden und auf das ILS33 geplant. Also erstmal den Racetrack runter und dann einen schönen Teardrop geflogen. Hier schon wieder auf dem Final auf die 33. Hätten wir jetzt wieder eine predictive Windshear-Warning bekommen, wäre ich wahrscheinlich nach Ponta Delgada weitergeflogen.


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    Minimums - continue.


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    Angekommen in Lajes und den Flieger an die Techniker übergeben, die jetzt eine nette Nachtschicht einlegen dürfen.


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  • Schöner Bericht, sehr gut gemacht.
    Ich hatte vor vielen Jahren, als Privat Air von DUS aus nach EWR die Strecke mit der 737 bediente, das Vergnügen mitzufliegen. Damals war es wohl noch üblich die APU dauerhaft eingeschaltet zu lassen bei ETOPS Flügen. In deiner PMDG hängt ja auch so ein Hinweis. Weißt du zufällig ob das immer noch Stand der Dinge ist?

    • Offizieller Beitrag

    Die neuste Generation von APU's (Allied Signal 131-9(B)) hat kein Starter-Limit mehr, kann also auf jeder Höhe gestartet werden. Erste Airlines (Alaska Airlines für ihre Hawaii-Flüge z.B.) haben schon Lizensen für sog. "Cold-Soaked"-Starts, also die "kalte" APU auf Cruise-Level zu starten. Geht also.


    Viele Operators lassen die aber dann glaube ich vom Boden bis zum ETOPS-Exit an. Habe mir allerdings der Einfachheit halber einfach mal die Cold-Soaked-Lizens zugeschrieben und mache es immer so, dass die APU 3 Minuten vor ETOPS-Entry available ist, weil die APU an sich nach dem Startup eine Warmup-Period von 3 Minuten hat, bis man Generator Bus oder Bleed connecten kann, wobei die maximale Höhe für Bleed Air eh nur 17.000 Fuß ist :)