Mit der Queen um die Welt - Ein Umlauf der Extreme

    • Offizieller Beitrag

    Mit der Queen um die Welt – Ein Umlauf der Extreme


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    Sie sind das Rückgrat der weltweiten Logistik. Nacht für Nacht fliegen sie tausende Tonnen von Paketen und Palletten über die Ozeane und Kontinente dieser Welt – Frachtflieger. Ein Business, das knallhart ist, für Mensch

    wie für Maschine. Besonders ikonisch dabei: Round the World-Umläufe, also Umläufe, die einmal den Globus umspannen. Reale Crews sind oft mehrere Wochen am Stück unterwegs, um diese Umläufe inklusive

    Ruhezeiten zu meistern.


    Bekannte Cargo-Fluglinien die solche Strecken abfliegen sind FedEx, UPS oder CargoLux. Eine weniger bekannte Airline werden wir nun auf einem dieser Umläufe begleiten. Es handelt sich um Nippon Cargo Airlines,

    die ihre Basis auf dem Flughafen von Tokyo-Narita haben und deren Flotte insgesamt fünf 747-400F und acht 747-800F umfasst.


    Es ist später Nachmittag, als ich mein Hotel im Zentrum Tokyos verlasse. Die Oedo-Line wird mich in acht Minuten Fahrtzeit zur Ueno-Okachimachi-Station bringen, in der ich in den SkyLiner umsteige. Dieser bringt mich in

    etwa anderthalb Stunden raus nach Narita. Da lobe ich mir die Fahrtzeit zum Flughafen in München und die stadtnahe Lage Hanedas.


    Nach einer weiteren Taxifahrt finde ich mich nun am Frachtterminal im Süden des Platzes wieder. Schon von der Straße aus sehe ich die Maschine, die mich nun innerhalb von 32 Flugstunden einmal um den Globus fliegen wird.

    Die 1394. 747. ist auf den liebevollen Namen JA05KZ getauft, die genaue Typenbezeichnung lautet 747-4KZF SCD, aber was tut das schon zur Sache. Gebaut 2007 leistete sie Nippon Cargo seit jeher treuen Dienst. Unter den Flügeln kann ich schon die vier massiven Triebwerke der Marke General Electric erkennen. Die Baureihe CF6-80C2B1F liefert pro Triebwerk 282 Kilonewton Schub. Bevor wir hier aber zu sehr ins Technische abrutschen,

    wird es doch eher Zeit für einen groben Reiseüberblick.


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    Wir werden den Globus ostwärts umfliegen. Der erste Flug führt uns durch die Nacht auf den nordamerikanischen Kontinent. Nach einem kurzen Tank- und Technikstopp in Anchorage erheben wir uns wieder um weiter

    nach Chicago zu fliegen, wo jährlich rund 1,2 Millionen Tonnen Fracht umgeschlagen werden. Danach stehen uns zwei Stopps in Europa bevor. Frankfurt-Hahn und Mailand. Abschließend geht es dann wieder zu dem Punkt,

    an dem wir gestartet sind: Tokyo-Narita.


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    Langsam steige ich die Treppe zum Flieger hinauf. Man kommt also zuerst im Main Cargo Deck an, um dann noch eine kleine, steile Leiter in den Buckel hinaufzusteigen. Erst beim Betreten der kleinen „Kabine“ wird mir klar,

    dass das mein Zuhause für die nächsten zwei Tage werden wird. Zu meiner Rechten erstrecken sich also fünf Sitze, die an alte Businessclass-Sessel erinnern und immerhin eine Sleeper-Funktion bieten. Zu meiner linken

    befinden sich die Galley, die Toilette und natürlich das heilige Cockpit. Dort laufen die Vorbereitungen schon auf Hochtouren, schließlich sollen wir schon in weniger als 45 Minuten off-block gehen. Kapitän Sota Hamashi

    begrüßt mich freundlich und lädt mich ein, doch auf dem Jumpseat Platz zu nehmen. Er erklärt mir kurz die Route und sonstige Daten. Von Tokyo aus werden wir Richtung Nordosten Kurs auf Kamtschatka nehmen,

    bevor wir die Aleuten passieren und bald schon wieder Festland und somit Anchorage erreichen. 92 Tonnen Sprit sollten uns für knapp 9 Stunden in der Luft halten, unterwegs werden wir sechseinhalb Stunden sein.


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    Der Pushback beginnt. Kapitän Hamashi startet die Triebwerke, zuerst Nummer eins und zwei, danach drei und vier. Mit großer Präzision werden die After Start Items abgearbeitet, danach setzt sich unser 369 Tonnen

    schwerer Flieger behäbig in Bewegung. Zur Startbahn 34L ist es zum Glück nicht so weit, tatsächlich brauchen wir nur knapp fünf Minuten bis wir am Rollhalt stehen und bereit für den Start sind.

    Langsam rollen wir auf die Bahn.


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    Die Triebwerke heulen erst verhalten auf, bevor Kapitän Hamashi die TO/GA-Knöpfe am massiven Throttle drückt und die vier Triebwerke unter einem lauten Röhren ihre volle Kraft entfalten. Das Bugfahrwerk rollt gut hörbar

    über die Centerlinebeleuchtung, der Takt wird immer schneller, bis es kurz vor dem Abheben in ein durchlaufendes Rattern übergeht. Schon bald ist eine positive Steigrate erreicht und das Fahrwerk wird eingefahren.

    Es ist erstaunlich, wie leise es auf einmal wird, da der Lärm vom Wind aufgrund der niedrigen Geschwindigkeit noch sehr gedämpft ist. Doch schon bald wird eben jener Wind die vorwiegende Geräuschquelle

    auf dem Flight Deck sein.


    Der Nordpazifik ist einsam. Schon seit über drei Stunden sind wir unterwegs. Nachdem wir die japanische Küste hinter uns gelassen haben, ist Zivilisation ein seltener Begleiter geworden. Tatsächlich sieht man

    hier und dort mal Lichter von größeren Schiffen unter uns, aber den größten Teil der Zeit einfach nur dunkel. Von Zeit zu Zeit kann man Polarlichter beobachten, ansonsten hat man einen klaren Blick

    auf die Sterne. Ich ziehe mich zurück in die Kabine und döse die restlichen drei Stunden des Fluges ein.


    In Anchorage ist es neblig. Sehr neblig. Im Descent kehre ich zurück ins Cockpit. Die Piloten planen einen Autoland. Über den Wolken begleitet uns noch der Mond.


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    Erst bei 160 Fuß taucht die Landebahn aus dem Nebel hervor. Bei 40 Fuß zieht der Flieger automatisch den Schub in IDLE, bei 30 hebt er langsam die Nase. Wenige Augenblicke später setzt er betont auf, die Speedbrakes

    fahren unter einem lauten Surren aus, der Umkehrschub setzt ein. Das erste von sechs Legs ist geschafft.


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    Turnaround. Hektik. Ganze 45 Minuten Zeit bleiben am Boden, circa 50 Tonnen Sprit werden wieder in die Flügel getankt, ein Techniker schaut vorbei, alles in Ordnung. Es wird keine Ladung gelöscht oder eingeladen. Nur deswegen kann der Stopp in so kurzer Zeit abgewickelt werden.


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    Schon bald erheben wir uns wieder in den Nachthimmel über Alaska – ich gehe wieder in die Kabine und döse weiter – nur um zwei Stunden später über den kanadischen Territorien von den ersten Sonnenstrahlen

    geweckt zu werden. Ich werfe die Kaffeemaschine an und bringe den Jungs vorne einen Kaffee mit. Beide Piloten freuen sich schon auf den Feierabend – sie sind seit Tokio an Bord. Bei der Landung werden sie seit

    13 Stunden im Dienst sein.


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    Wir nähern uns Chicago aus dem Norden, passieren das O‘ Hare-VOR in 7000 Fuß, gehen in den Süddownwind über Downtown Chicago, um über der Küste des Lake Michigan auf den Final der 28C zu drehen.


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    Der Flieger legt hier jetzt eine längere Pause ein, schließlich müssen 112 Tonnen Cargo aus- und 61 Tonnen eingeladen werden. Die Flightcrew hat JA05KZ schnell der Bodencrew übergeben und freut sich nun auf ihr

    wohlverdientes Bett. Ein Mechaniker hat im Cockpit Platz genommen, er checkt einige Werte, drückt manchen Knopf. Schon bald ruft er einen Kollegen an, das Engine Oil muss nachgefüllt werden. Während die

    beiden sich auf den Weg machen, um in jeden der vier Triebwerke ein paar Kannen Öl hineinzupumpen, schnappe ich ein bisschen frische Luft.


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    Das Ballett der vielen verschiedenen Bodenfahrzeuge ist immer wieder interessant anzusehen. Die Mechaniker haben ihren Van vor dem rechten Flügel geparkt, der Toiletten-Wagen kommt angefahren. Munter

    schluckt der Bauch unserer 747 eine Palette nach der anderen. Über das Förderband am Bulk werden lose Pakete und Briefe eingeladen. Zeitgleich kommt der Tankwagen, denn die 60 Tonnen Sprit für den Weiterflug

    tanken sich nicht von alleine in die 64 Meter überspannenden Flügel.


    Nur wenig später lerne ich Crew für den Weiterflug bis nach Mailand kennen. Kapitän Kevin begrüßt mich mit einem Handschlag „Nenn mich ruhig Kev“. Sobald die Tür zu ist, lockert er erstmal seine Krawatte und

    knöpft sein Hemd ein wenig auf. „Hier kann man das ja machen. Ich weiß noch früher, auf der American Mainline, das war schrecklich. Jeden Tag commuten und dann noch vier oder gar fünf Legs hintereinander.

    Außerdem hat die 747 einfach mehr Klasse als ein Embraer 190. Jetzt fliege ich für Nippon, bin gebased in Chicago und bin nach spätestens zwei Wochen wieder zuhause."


    Nach rund 20 Minuten Rollen steigen wir durch Chicagos kalte, aber klare Winterluft. Nach einer langgezogenen Kurve nehmen wir nun Kurs auf Pullmann-VOR, den ersten Wegpunkt auf unserer Route. Diese führt

    uns wegen dem gut liegenden Jetstream recht weit südlich in den Hunsrück. Dabei werden wir Toronto und Montreal passieren, bevor es südlich von Neufundland hinaus auf den Atlantik geht. Uns wurde heute

    ein Random Routing gerechnet, weit entfernt von den Tracks. Landfall erwarten wir rund dreieinhalb Stunden später an der Südküste Irlands. Von dort aus geht es über London und Brüssel

    nach Frankfurt-Hahn.


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    Wir passieren Flightlevel 160 als von Brussels Control „Contact Langen 126.5 – good evening“ ertönt. Auf der ROPUV3K-STAR gehen wir in den Downwind für die 03. Schon bald finden wir uns auf dem Final wieder.


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    Nach einem kurzen und relativ ereignislosen Turnaround machen wir uns auf den Weg nach Mailand. Es hat sich eine gewisse Routine eingespielt, das Ballett der Bodenfahrzeuge wirkt nicht mehr willkürlich, sondern

    koordiniert. Die Crew bereitet den nächsten Sektor vor, ich schaue gespannt zu. Am Ende geht die Tür zu, und wir legen wieder los.


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    Durch unser geringes Gewicht gleicht der Takeoff einem Drag Race.


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    Über den Alpen bietet sich ein besonders schöner Anblick. Die Gipfel schauen aus den Wolken heraus, gleichzeitig verschwindet die Sonne hinter dem Horizont und taucht den Himmel in ein sanftes Orange. Im Anflug überfliegen wir den Platz in knapp 17.000 Fuß, den Alpen sei Dank. In einem großen Schlenker geht es nun auf das ILS der Piste 35L.


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    Nach genau einer Stunde Flugzeit haben wir den letzten Zwischenstopp unserer Weltumrundung erreicht.


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    In etwa drei Stunden brechen wir zum finalen Leg auf. Dieses wird uns in rund 12 Stunden Flug erst über die Alpen, entlang München und Prag hinauf ins Baltikum führen, um dann mehrere Stunden über die schier endlose Tundra Russlands zu verlaufen. Bei Khabarovsk geht es hinaus auf das japanische Meer, um nach einer weiteren Flugstunde Japan zu erreichen. Gebraucht werden dafür 135 Tonnen Sprit und ein bisschen Ausdauer, um über die Alpen zu kommen.


    Kurz nach 22 Uhr ist es dann so weit. Ein letztes Mal werden wir zurückgeschoben, die vier Triebwerke starten, die Klappen werden auf 20 gesetzt. Nach wenigen Metern bereits am Holdingpoint. Für diesen Takeoff

    brauchen wir alles, was die Maschine hergibt – TOGA.


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    Mit Clean Speed steigen wir aus Mailand heraus, passieren Bergamo und Brescia, biegen dann ab Richtung Bozen. Erst über Innsbruck erreichen wir den Top of Climb. Um es in den Worten eines berühmten Piloten zu

    sagen: „Ab jetzt zieht’s sich“.


    Nach einigen einsamen Flugstunden über der Tundra passieren wir Khabarovsk. Die Sonne setzt sich schon wieder am Horizont, vor uns erstreckt sich das japanische Meer. Das Ziel unserer Reise ist schon zum Greifen nah.


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    Im Anflug auf Tokyo wird es noch einmal spannend. Das Wetterradar liefert einige Echos, es schneit. Von den Lotsen werden wir auf den Endanflug der 34L vektoriert. Bei 16 DME fahren wir das Fahrwerk aus. Bis spätestens

    14 DME sollte es ausgefahren sein, damit eventuelle Eisbrocken nicht auf die Dächer der Anwohner fallen. In Japan nimmt man es halt genau.


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    Im Endanflug durchfliegen wir noch einen kleinen Schneeschauer. Nach 11 Stunden und 49 Minuten sind wir wieder dort, wo alles angefangen hat – Runway 34L in Narita. Dazwischen lagen 32 Flugstunden, 322 Tonnen Sprit,

    4 Zwischenstopps und zwei Kontinente.


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    Autobrake 3 bremst den Flieger bestimmt hinunter. Über den zweiten Fast Turnoff verlassen wir die Piste. Jetzt noch einmal rechts abbiegen und zum Bahnkopf rollen. Auf den Weg dorthin begegnen uns noch

    zwei andere 747.


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    Nach 12 Stunden und acht Minuten gehen wir onblocks. Es ist geschafft. Ich bin erschöpft, bedanke mich bei der Crew und falle wenig später erschöpft in mein Bett in einem der zahlreichen Airport Hotels.


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    Doch die Welt schläft nicht. Der Flieger wird erneut beladen und die nächste Crew bereitet sich für den nächsten Flug vor. Und so endet für ein Paket die Reise – doch für das nächste fängt sie gerade erst an.

  • sehr schöner Bericht :)

    Gruß, Aleksey Markov


    "Die Hitze fühlt sich warm an" - Gövert Hart, 08.07.2023

    "Was haben die da, RR oder PW?" - "Wohl eher VW, so wie das da raucht" -Patrick M. 26.11.2023

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    • Offizieller Beitrag

    Es ist später Nachmittag, als ich mein Hotel im ZentrumTokyos verlasse.

    Schon von der Straße aus sehe ichdie Maschine, die mich nun innerhalb von 32 Flugstunden einmal um den Globus fliegen wird.

    Langsam steige ich die Treppe zum Flieger hinauf.

    Kapitän Hamashi startet dieTriebwerke, zuerst Nummer eins und zwei, danach drei und vier.

    Ich binerschöpft, bedanke mich bei der Crew und falle wenig später erschöpft in meinBett in einem der zahlreichen Airport Hotels.

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  • so ein Schwachsinn, mache es selber besser du örf

    Liebe Grüße


    Maik


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    FSX - wie war dein letzter OOM =O
    X-Plane , not for me :huh: