Airbus durchschreitet Talsohle der Wirtschaftskrise
A320-Nachfolger nicht vor 2020
PARIS - Airbus sieht in Bürgschaften der Exportkredit- versicherer die wichtigste Stütze der Absatzfinanzierung im laufenden Jahr. "Im Jahr 2009 wird die Finanzierung von mindestens 40 Prozent der ausgelieferten Flugzeuge über Exportbürgschaften der ECAs abgesichert sein", sagte Airbus Vorstandschef Tom Enders auf einer Pressekonferenz anlässlich der laufenden Paris Air Show.
Im vergangenen Jahr lag diese Quote bei 20 bis 25 Prozent. Airbus liege in diesem Punkt gegenwärtig nahezu gleichauf mit Boeing, sagte Enders. "Für uns ist es von zentraler Bedeutung, unseren Auftragsbestand auch in Auslieferungen zu verwandeln."
Erst die Stabilisierung der Absatzfinanzierung über staatliche Ausfuhrbürgschaften und die Überbuchung der Fertigung in den vergangenen Jahren ermögliche es Airbus, am Auslieferungsziel von 480 Einheiten im laufenden Jahr festzuhalten. Die Summe der unmittelbar von Airbus zur Verfügung gestellten Finanzierungshilfen werde 2009 dabei eine Milliarde Euro nicht überschreibten, ergänzte Enders.
Der europäische Flugzeugbauer geht davon aus, "nahe an der Talsohle der Krise" zu sein. Ein leichter Marktaufschwung könnte 2010 folgen. Airbus hält an den für 2009 und 2010 ausgegebenen Fertigungszielen in seinen zivilen Flugzeugprogrammen fest. Die Planung werde am Absatzmarkt festgemacht.
"Wir wollen keine White Tails produzieren", sagte Airbus Finanzvorstand Fabrice Brégier. Airbus lehnte eine Stellungnahme zu dem in Rede stehenden Parken zur Auslieferung an Qantas vorgesehener Einheiten der A380-Produktion über bis zu zehn Monate jedoch ab.
Airbus erwartet Absatzimpulse aus dem Segment weltweit aufstrebender LowCost-Airlines, das gerade in der Krise wachse. "In den etablierten Luftfahrtmärkten besteht über die kommenden Jahre zudem ein hoher Modernisierungsbedarf in den Flotten", führte Enders aus.
Nachfolger im A320-Programm nicht vor 2020
Das Unternehmen wird mittelfristig dennoch keinen Nachfolger des A320 am Markt platzieren. "Die Nachfrage nach dem aktuellen Modell ist weiterhin sehr hoch", sagte Airbus Marketingdirektor John Leahy. "Da macht es keinen Sinn, schon Mitte des nächsten Jahrzehnts einen Nachfolger zu präsentieren." Eine Neuauflage der A320-Serie werde voraussichtlich "nicht vor 2020, vielleicht auch nicht vor 2021 oder 2022" verfügbar sein.
In die Neuentwicklung eines Flugzeugprogramms müssten auch neue Triebwerks- und Produktionstechnologien eingehen, die derzeit noch nicht abzusehen seien, erklärte Leahy. Leahy bezeichnete die Ankündigung von Boeing, die 777 zu modernisieren als Schritt, mit dem Airbus gerechnet habe. "Sie müssen die 777 überarbeiten, um wettbewerbsfähig zu bleiben."
Airbus hat gestern einen Auftrag von Qatar Airways über 24 Flugzeuge der A320-Serie erhalten. Für den Lauf des heutigen Tages deutete das Unternehmen die Bekanntgabe von zwei neuen Aufträgen an.
Staatsdarlehen für A350 XWB verteidigt
Airbus verteidigte Verhandlungen über Staatsdarlehen für die A350 XWB-Entwicklung gegen Kritik von Seiten des Konkurrenten aus Seattle. "So eine Finanzierung würde gegen die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten zur Einhaltung der Regeln der Internationalen Handelsorganisation WTO verstoßen", erklärte Boeing am Dienstag in Paris. "Wir sind enttäuscht."
"Das ist in gewisser Weise scheinheilig", griff Enders die Stellungnahmen aus der Unternehmensführung des Wettbewerbers an. "Die 787 ist das höchstsubventionierte Flugzeugprogramm aller Zeiten. Boeing will diesen Vorteil offenbar aufrechterhalten."
Enders verwies darauf, dass Airbus Staatskredite für neue Flugzeugprogramme verzinst zurückzahlt. Durch vereinbarte Erfolgsbeteiligungen hätten sich für die Regierungen in der Vergangenheit Renditen in Höhe von rund 40 Prozent ergeben.
Die Airbus-Staaten Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien wollen die Entwicklung des Langstreckenflugzeugs A350 mit Kredithilfen fördern, die bis zu 30 Prozent der veranschlagten elf Milliarden Euro abdecken. Die Entscheidung soll in Monatsfrist fallen. Bereits am Montag hatten Berlin 1,1 Milliarden und Paris 1,4 Milliarden Euro in Aussicht gestellt.
London will sich auch beteiligen. Spanien blieb - angeblich aus Verärgerung über die Umorganisation der Militärflugzeugsparte von Airbus - der Sitzung der Airbus-Staaten am Montag auf der Luftfahrtmesse fern und verhinderte damit einen Beschluss. Enders zeigte sich hierüber enttäuscht. Gerade Spanien habe in den vergangenen Jahren von seinen Airbus Standorten sehr profitiert. Der Fertigungsbeitrag des Landes sei mittlerweise von vier auf zehn Prozent gestiegen.
© aero.de, dpa / 16.06.2009
Quelle: aero.de