Gewerkschaftsstreit bringt Bahn-Vorstand in Not
Die Deutsche Bahn steht vor der
schwierigsten Tarifrunde seit Jahren. Bereits die Vorgespräche sind
geplatzt: Die beiden Gewerkschaften GDL und EVG sind in offene
Konkurrenz getreten - was der Vorstand nicht akzeptieren will.
Frankfurt am Main - Welche Bahngewerkschaft
darf für welche Mitarbeitergruppen verhandeln? Diese Frage bleibt
vorerst ungeklärt. Die Gespräche über Spielregeln für Tarifverhandlungen
bei der Deutschen Bahn
sind vorerst gescheitert. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer
(GDL) bestätigte, dass die Kooperationsverhandlungen beendet seien.
Der Konzern machte dafür die GDL verantwortlich, die ihre bisherige
Linie "komplett" verlassen habe und eine Tarifkonkurrenz beider
Gewerkschaften "weitestgehend festschreiben" wolle. "Was wir heute
erlebt haben, ist ein beispielloser Rückschritt", teilt
Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber mit. Er wirft der GDL vor, mit der
Kehrtwende das Scheitern herbeigeführt zu haben. An den Gesprächen war
auch die konkurrierende Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG)
beteiligt.
In dem Konflikt geht es um die Frage, welche Gewerkschaft in den
anstehenden Tarifverhandlungen welche der rund 170.000 Bahn-Mitarbeiter
vertreten soll. Dies war bisher in einem Vertrag geregelt, der aber Ende
Juni ausgelaufen war. Nun will die GDL, die bisher nur für die rund
20.000 Lokführer verhandelt hatte, für das gesamte Zugpersonal
verhandeln. Die EVG wiederum, die zuletzt für rund 140.000 Angestellte
wie Zugbegleiter und Lokrangierführer zuständig war, will auch die
Lokführer vertreten.
"Gift für ein geordnetes Miteinander"
Damit droht am Mittwoch der nächste Konflikt: Dann wollten Bahn und
GDL eigentlich über Löhne verhandeln, die Bahn wollte erstmals ein
Angebot für Lokführer vorlegen. Jetzt erklärte der Konzern, er prüfe
zunächst die neue Lage.
Nebeneinander existierende und konkurrierende Tarifverträge will die
Bahn jedenfalls nicht akzeptieren. "Tarifkonkurrenz funktioniert im
Alltag absolut nicht und ist Gift für ein geordnetes Miteinander",
warnte Weber. Der Konzern teilte außerdem mit, "eine Verständigung auf
eine neue Form der Zusammenarbeit" sei die einzige Möglichkeit.
Die Bahn habe dazu Vorschläge gemacht und sei auch weiterhin zu
Gesprächen bereit. Ziel der Bahn ist es, die anstehenden
Tarifverhandlungen für rund 140.000 Beschäftigte zwischen den beiden
Gewerkschaften aufzuteilen.
Die GDL verlangt fünf Prozent mehr Geld, bessere Schichtregelungen
und eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 39 auf 37 Stunden - für
das gesamte Zugpersonal. Die Bahn hat dies bereits unannehmbar genannt.
Die Gewerkschaft EVG hat noch keine Forderungen formuliert. Sie und die
GDL stehen seit Jahren in Konkurrenzkampf um neue Mitglieder.
Für Reisende könnte der sich abzeichnende Arbeitskampf wieder zu
Unannehmlichkeiten führen. Im März hatte ein Warnstreik bei der Bahn Reisende in ganz Deutschland verärgert.