Behörden - da wird einem doch schlecht bei

  • @Yve. Ich wäre froh wenn ich eine Lehrerin wie Dich gehabt hätte. Echt super. Es tut mir nur für Deine alten Schüler leid.

    Nach einer gefühlten Ewigkeit mal wieder da. Mooiiiin :) :winke::winke:

  • Also Freunde, ich bin ja seit 23 Jahren mit einer Lehrerin verheiratet.

    Meine Frau ist seit fast 13 Jahren Sonderschulpädagogin mit einem Abschluss im Fach Verhaltensstörungen.
    In Sachsen-Anhalt, wo wir leben, werden Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten i.A. noch in sogenannten Förderschulen mit Ausgleichsklassen unterrichtet. In diesen Schulen versucht man die Kinder wenigstens bis zum Realschulabschluss zu bringen, um sie nicht für ihr Leben zu stigmatisieren.
    In der Schule sind diese Kinder unter sich, erhalten individuelle Förderung - wie es idealweise auch an einer normalen Schule sein sollte - und vor allem kann man auf die, zum Teil heftigen Verhaltensstörungen, sehr gut reagieren.
    Mal ein Beispiel: Wenn, was jetzt nicht erfunden ist, ein 13 jähriger Junge immer wieder gewalttätig wird, den Unterricht stört und auch in den Pausen auffällig wird, dann hat dieser Kerl an keiner normalen Schule wirklich eine Chance, oder? "Normale" Lehrer haben i.d.R. keine Kraft, Lust, Motivation, Begabung, Wissen usw. mit so etwas umzugehen. Dedr Druck auf die Eltern wird oft solange erhöht, bis das Kerlchen mit Psychopharmaka ruhig gestellt wird. Er soll gefälligst in die Norm passen oder er und seine Eltern werden so lange gemobbt, bis er die Schule verweigert oder wechselt. Aus Gesprächen mit Lehrerinnen und Lehrern von Normalschulen weiss ich, dass die Integration dieser Kinder in die Klassen von den Lehrerkollegien oft abgelehnt wird. Wenn Lehrer in Einzelfällen sich um diese Kinder kümmern, werden dann auch diese Lehrer gemobbt.
    An dieser Förderschule, haben die Kinder gute Chancen neu anzufangen. Es gibt sehr klare Regeln, die auch durchgesetzt werden, es gibt ideale, kleine Klassenverbände und es gibt genügend pädagogische Mitarbeiter, die sich im Unterricht und in den Pausen mit diesen Kindern beschäftigen. Es gibt individuelle Förderung auf Schwerpunktgebieten, alles was wirklich gut ist.
    Interessant ist zu erleben, wie positiv sich viele Kinder dann entwickeln, wenn sie erst mal die Chance sehen. Meine Frau wird zwar täglich als "fette Fotze", "dämliche Kuh" u.ä. beschimpft (das kann innerhalb von Sekunden bei eigentlich lieben Schülern geschehen) auch das Angebot vom großen Bruder eines 12jährigen "gefickt" zu werden gab es schon mehrmals, aber passiert ist noch nix. Und die meisten Lehrer wissen ja auch worauf sie sich einlassen, wenn sie an diese Schule kommen. Ich würde zwar keines dieser Kinder bei mir zu Hause haben wollen, aber meine Frau, wie die meisten anderen Kolleginnen und Kollegen an dieser Schule sind sehr bemüht den Kindern zu helfen.
    Nun ist vor 2 Jahren irgendein sehr schlauer Mensch im Kultusministerium auf die Idee gekommen Geld zu sparen. Da mittlerweile schon Kindergartenkinder in den Beratungsstellen vorgestellt werden, die Anzahl der zu diagnostizierenden Fälle pro Jahr deutlich gestiegen ist und diese Kinder nicht mehr alle unterzubringen sind, sollen die Förderschulen geschlossen werden.
    Förderschullehrer sollen dann quasi als mobile Lehrer von Schule zu Schule fahren und im "Gemeinsamen Unterricht" diese Kinder betreuen. Dass heisst 2 - 4 Stunden in der Woche pro Kind mit im Unterricht sitzen, das Kind beobachten und hinterher dem Lehrer Hinweise geben und evtl. mit dem Kind Förderstunden durchführen. Begründung ist natürlich nicht das Geld, nein, es ist die TaTa: "UN-Menschenrechtskovention". Nach dieser sind alle Menschen gleich zu behandeln, was ja a priori gar nicht mal verkehrt ist, aber ich glaube an dieser Stelle völlig falsch verstanden.

    Die Politiker faseln von Bildungsinitiative, aber keiner von denen hat wirklich Ahnung davon, was in den Schulen so vorgeht. Und wenn dann mal einer Ahnung hat, ist er gefangen in parteipolitischem Kalkül und den Möglichkeiten, die ihm die Finanzpolitik lässt. Sicher würde unser Hexlein - als für die Bildung in einem Land Verantwortliche - etwas verändern wollen, so wie meine Frau sich auch eher am finnischen Bildungssystem orientieren würde, aber ob sich bei den vorherrschenden Köpfen wirklich etwas ändern würde?

    Um wirkliche Änderung zu erreichen müsste es schon mal in der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer losgehen. Nicht soviel Theorie, mehr Praxis! Nicht so viele alte Pädagogikhüte, hin zu den bunten Wollmützen! Weg mit alten Vorstellungen vom Lernen, hin zur Nutzung neuer Lernstrategien! Und vor allem eines: Wir brauchen wieder mehr Männer an den Grundschulen! Kaum einer der Jungs heute hat noch männliche Vorbilder ausser dem Vater und den Großvätern. Die Jungs müssen ja aus dem Ruder laufen. Aber leider gelten ja männliche Grundschullehrer als irgendwie - ich sag es nicht gern und es soll keine Beleidigung sein - als schwul. Die wenigen männlichen Grundschulkollegen werden dann oft vom überwiegend weiblichen Kollegium gemobbt (keine Spekulation, sondern Ergebnis von Gesprächen mit 4 Lehrern, davon einer damals schon 58 ).
    Und wenn dann in einigen Jahren aus diesen neu ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern erfahrene Menschen geworden sind, die an die Hochschulen gehen und ihre Erfahrungen weiter geben, dann könnte es evtl. mal was werden.

    Meine Frau hat gemeinsam mit einer Kollegin im letzten Jahr eine Gruppe von Studenten betreut, die das Fach Verhaltensstörungen gewählt hatten. Beide haben aufgegeben. Meine Frau sagt, dass keiner der Dozenten an der Hochschule auch nur einen Tag an einer Schule mit verhaltensgestörten Kindern unterrichtet hat. Der Unterrichtsstoff war bis auf wenige Ausnahmen fast derselbe, wie vor einem Vierteljahrhundert, als sie studiert hat.
    Das Schlimme ist, dass genau aus diesen Hochschulen die Leute kommen, die Schulpolitik machen oder die Schulpolitiker beraten. Die Praktiker werden, wie so oft, nicht gefragt oder deren Meinung wird nicht beachtet.

    Unser ganzes Schulsystem ist völlig am Arsch. So wie Ingo weiter oben schon geschrieben hat. Einige wenige - oft private - Eliteschulen und eine breite Masse an Einheitsbrei. Eine breite, nicht nur intelligente, sondern diese Intelligenz auch nutzende, Schicht ist nicht gewollt. Dann könnte es ja sein, dass die Menschen auf grundlegend andere Ideen kommen, als ihnen von Politik und Medien vorgegeben. Könnte sein dass die Menschen dann wirklich mal von ihren demokratischen Grundrechten Gebrauch machen und dieses Sytem mit demokratischen Mitteln ändern. Könnte sein, dass RTL dann abgeschaltetet wird, weil den Scheiss keiner mehr sieht......

    I had a dream ....

    LG Uwe

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    Too Old To Rock`n`Roll: Too Young To Die!

  • Mensch Uwe,
    Du bringst genau vieles was ich auch erlebt habe hier auf den Punkt, besser koennte ich es nicht selber schreiben.

    Genau das laeuft ab und im zweifelsfall sind doch eigentlich nur die Kinder selber am Ende die "Dummen", die es dann ausbaden muessen.

    Grüße
    Simon
    Bundesministerium für Clusterfuck Management&Pfusch im Frankfurt VATSIM Luftnahverkehr