Auch dies ist eine Never-Ending-Story, aber der Bedarf an Piloten wird immer da sein, wie ja auch der Bericht beweist
ZitatAlles anzeigenLufthansa benötigt 300 zusätzliche Piloten bis 2011
Konsolidierung am Arbeitsmarkt
FRANKFURT/M. (dpa) - Die Wirtschaftskrise hat den Arbeitsmarkt für Verkehrsflugzeugführer in heftige Turbulenzen gestürzt. Viele Airlines nehmen angesichts von Einbrüchen bei Passagier- und Luftfrachtzahlen Kapazität aus dem System und bauen auch bei den Piloten Stellen ab. Zuletzt kündigte die Austrian-Tochter Tyrolean erhebliche Einschnitte ein.
Durch die Ausgliederung von bis zu 14 Regionaljets bei Tyrolean sind im Nachbarland nach einer Schätzung des Betriebsrates die Arbeitsplätze von 120 bis 140 Flugzeugführern bedroht. Der Privat-Charteranbieter NetJets Europe wird ebenfalls Stellen im Cockpit streichen.
NetJets Europe sucht nach Wegen, die Arbeitsleistung von rund 300 Flugzeugführern einzusparen, zitiert die "Flight International" einen Unternehmenssprecher. Abfindungsprogramme und Teilzeitmodelle sollen Kündigungen vermeiden. NetJets Europe hatte in den vergangenen beiden Jahren die Zahl seiner Piloten auf zuletzt 1.041 nahezu verdoppelt.
Auch Deutschland blieb nach Pilotenmangel in den Vorjahren von der Krise am Arbeitsmarkt nicht verschont. Bei der Bundesagentur für Arbeit waren im Mai 266 Flugzeugführer arbeitssuchend gemeldet, fast doppelt so viele wie im Sommer 2008.
Die Dunkelziffer dürfte indes deutlich höher liegen. "Ich schätze, dass rund 500 bis 600 Piloten in Deutschland auf der Suche nach Arbeit sind", sagt der einzige Pilotenvermittler der Bundesagentur, Holger Bausch. Vor einem Jahr sei alles noch ganz anders gewesen: "Da kamen wir mit dem Vermitteln nicht hinterher."
Zunehmender Pilotenbedarf erwartet
Der Arbeitsmarkt für Piloten entwickelt sich von jeher zyklisch. Mittel- und langfristig ist davon auszugehen, dass weltweit eher wieder mehr Flugzeugführer nachgefragt werden. Einer früheren Studie des Flugzeugbauers Boeing zufolge wird sich die Zahl der Verkehrsflugzeuge von 2006 bis 2026 weltweit verdoppeln - von 18.230 auf 36.420. In diesem Zeitraum müssten mehr als 363.000 Piloten ausgebildet werden.
Auch wenn Boeing inzwischen die Zahl der benötigten Passagierflugzeuge in den nächsten 20 Jahren auf 29.000 heruntergeschraubt hat, so ist der Bedarf an Piloten weltweit immer noch enorm, wie Branchenkenner berichten. "Der globale Trend geht nach oben, auch wenn es jetzt eine kleine Delle gibt", glaubt auch Bausch. Wer sich jetzt als Pilot ausbilden lasse, sagt Bausch, könne genau dann fertig werden, wenn wieder welche gesucht würden.
Wegen der Wirtschaftskrise ist die sonst übliche Frühjahrsbelebung auf dem Piloten-Arbeitsmarkt aber erst einmal ausgeblieben. Bei der Lufthansa erhalten neu eingestellte Piloten gegenwärtig halbe Stellen. Die Airline hat bereits im vergangenen Jahr außerdem die Zahl der Ausbildungsplätze an ihrer Flugschule in Bremen von 300 auf 240 begrenzt.
Fertig ausgebildete Piloten müssen derzeit neun Monate bis zum Berufseinstieg als Co-Pilot warten. In dieser Zeit vermittele die Lufthansa die Absolventen der Flugschule in andere Unternehmensbereiche, zu anderen Airlines oder zur Flugsicherung. Trotzdem sei das Interesse an einem Job als Pilot ungebrochen, sagt Unternehmenssprecher Michael Lamberty.
Lufthansa plant mit 4.100 Piloten bis 2011
Lufthansa schätzt die Arbeitsmarktchancen für Piloten als durchaus positiv ein. "Langfristig rechnen wir damit, dass der Bedarf wieder steigen wird", sagte Lamberty gegenüber aero.de. Auch Lufthansa selbst wird zusätzliche Flugzeugführer einstellen.
Bis 2011 werde das Pilotenkorps der Lufthansa Passage von 3.800 auf 4.100 wachsen, auch in Folge der Eingliederung des Airbus A380. Eine Umschulung erfahrener Piloten auf ein solch großes Flugzeug dauere beispielsweise einen Monat. Da der Pilot in dieser Zeit nicht für Linienflüge zur Verfügung stehe, werde Ersatz benötigt.
Die Lufthansa-Tochter Swiss setzt in der Krise aufgrund von Durchzug und Alterstruktur ihrer Cockpitcrews die Rekrutierung neuer Piloten ebenfalls fort. "Bei Piloten besteht (...) weiterhin Nachholbedarf, insbesondere auf unserer Airbus-Flotte", sagte der neue Swiss Vorstandschef Harry Hohmeister Anfang des Monats gegenüber unserer Redaktion.
"An unserer Flugschule bilden wir im Schnitt 50 bis 100 Nachwuchsflugzeugführer im Jahr aus", ergänzte Hohmeister. "2010 werden wir 70 Schulungsplätze anbieten. Wir freuen uns daher über jede Bewerbung."
Berufswechsel selten
Dass ein ausgebildeter Pilot bereit wäre, auch in einem anderen Beruf zu arbeiten, ist indes höchst selten. "Für die ist das nicht nur ihr Beruf, sondern auch Berufung. Die sind wild auf diesen Job", sagt Jörg Handwerg, Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit. Das kann auch Bausch aus seiner Vermittlungsarbeit bestätigen.
Viele Bewerber könnten sich als Alternative höchstens Fluglehrer, einen Job bei der Flugsicherung oder in der Flugvorbereitung vorstellen, berichtet Bausch. Dass ein Pilot, weil er zunächst keinen Job finde, bereit sei, sein Glück in einem gänzlich anderen Metier zu suchen und beispielsweise Medizin zu studieren, kommt auch nach Handwergs Beobachtung extrem selten vor: "Das ist einer von 10.000."
© dpa, aero.de / 17.07.2009
Quelle: aero.de