Die Reportage Weltreise: "Auf der Korallenroute durch die Südsee" Samstag den 17. Oktober16 Uhr, ARD

  • Luxusliner am Pazifikhimmel


    Es war eine der romantischsten Reiserouten der Luftfahrtgeschichte: In der 50er-Jahren verbanden Doppeldecker-Flugboote zahlreiche Südseeinseln. Die Korallenroute führte von Auckland bis nach Tahiti. Für ehemalige Crew-Mitglieder wie Pilot Eddie Tredrec war Fliegen nie wieder so schön wie damals.


    Von Mario Schmidt, ARD-Fernsehstudio Tokio


    Es war eine der romantischsten Reiserouten der Luftfahrtgeschichte. In einem Doppeldecker-Flugboot für 45 Passagiere in drei Tagen durch die Südsee mit Landungen in malerischen Buchten. Die Korallenroute führte in den 50er-Jahren vom Hafen in Auckland nach Fidschi, Samoa über die Lagune Aitutaki bis nach Tahiti. Für ehemalige Crew-Mitglieder wie Pilot Eddie Tredrec war Fliegen nie wieder so schön wie damals: "Wir hatten meistens schönes Wetter. Und wir sind möglichst so geflogen, dass die Passagiere seitlich die kleinen Atolle sehen konnten."


    Aus nur 3000 Metern Flughöhe hatten die Passagiere einen fantastischen Blick auf Südseeparadiese und Korallenriffe. Die Maschinen vom Typ Short Solent waren Luxusliner am Pazifikhimmel: alles First Class. Sie gehörten Neuseelands erster Fluggesellschaft TEAL, Tasman Empire Airways Limited. Die meist wohlhabenden Gäste kleideten sich elegant wie auf einer Kreuzfahrt. Überall durfte geraucht werden. Zwei Stewards und eine Stewardess versorgten sie mit allem von Zigaretten bis Monopoly. Das Essen wurde größtenteils an Bord zubereitet und kam auf Porzellantellern mit Silberbesteck.


    Fliegen in Unterhose


    Im geräumigen Cockpit saß eine fünfköpfige Crew. Zwei Piloten und je ein Ingenieur, Funker sowie Navigator, für deren Arbeit Kompass, Seekarten und Sextant wichtig waren. Ohne Klimaanlage wurde das Cockpit in den Tropen zur Sauna. "Wir haben uns oft ausgezogen und sind in Unterhose eine Stunde oder so geflogen", erinnert sich Eddie Tredrec. Bevor wir zu den Passagieren gingen, mussten wir dann nicht nur Hemd und Hose wieder anziehen, sondern auch Hut und Krawatte."


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    Der Copilot war der Vorkoster


    In den 50er-Jahren barg das einfache Leben in der Südsee auch Gefahren: Lebensmittelvergiftungen zum Beispiel. Der TEAL-Betriebsarzt riet den Crews, bis zwölf Stunden vor dem Abflug Bier und Wein zu trinken, danach Kaffee und Tee - nur kein lokales Wasser. Eddie Tredrec: "Der Copilot bekam sein Essen zuerst, wir unseres 40 Minuten später. Der Grund: Wenn das Essen verdorben war, hat sich der Copilot als erster vergiftet. Aber der Kapitän war ok. Denn im Notfall konntest du das Flugzeug auch mit dem Ingenieur fliegen."


    Auf dem Weg nach Tahiti landete die Maschine für zwei Stunden in der Traumlagune Aitutaki, die zu den Cook Islands gehört. "Es war eines der Highlights", sagt Keith Williams, der damals für die Beladung der Maschinen zuständig war: "Wir rieten den Passagieren, ihre Schwimmsachen bereit zu halten. Wunderbares klares Wasser, herrliche tropische Fische. Das war wirklich ein Erlebnis." Die Passagiere wurden an einen Strand gebracht, während das Boot mit Handpumpen aufgetankt wurde.


    Gestrandet im Paradies


    Die Korallenroute verband die Südseeinseln alle vier Tage mit der Außenwelt. Zuvor waren nur alle paar Wochen große Schiffe mit Post und Waren vorbeigekommen. Der Zwischenstopp mit frischer Kokosnuss und Sandwich auf Aitutaki dauerte normalerweise nur zwei Stunden. Die Passagiere saßen hier aber auch mal tagelang wegen technischer Probleme fest – und sollen es genossen haben: Einmal dachten sie sich ein Theaterstück aus und spielten es zum Zeitvertreib für die Crew. Und die Einheimischen versorgten sie mit Fisch und Nachtquartieren, bis die Maschine wieder startklar war.


    Engel in Uniform


    Für das Wohl an Bord sorgten Stewardessen, die ausgebildete Krankenschwestern und Engel in eleganten Uniformen waren. Laut Dienstvorschrift mussten sie regelmäßig auf der Bordtoilette ihre äußere Erscheinung überprüfen. Denn Fliegen war Glamour. Eddie Tredrec: "Das war ein Beruf, den jedes Mädchen haben wollte. Sie mussten hübsch sein und mindestens so um die 1 Meter 65 sein. Sie durften nicht verheiratet sein, und normalerweise haben sie das auch nur einige Jahre machen dürfen."


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    Das Ziel der Korallenroute war Tahiti. Dort wurden sie wie überall mit Blumenkränzen und Musik feierlich empfangen. "Es war damals üblich, die Passagiere ins Cockpit zu holen", erklärt Eddie Tredrec. "Es gab es noch kein Hijacking. Niemand wollte ein Flugzeug entführen. Wir haben viele Passagiere auf diese Art gut kennengelernt, und wir waren ja drei Tage mit ihnen zusammen bis Tahiti. Deshalb sind sie oft noch mit uns abends ausgegangen."


    Es folgten lange Nächte unter Palmen in Tahitis Hauptstadt Papeete. 1960 endete die Ära der Flugboote in der Südsee. Tahiti bekam einen modernen Flughafen. Aus TEAL wurde später Air New Zealand.