Und weiter geht es im Kampf der Gewerkschaft VC gegen die Lufthansa, mal sehen, was die dieses Mal fordern. Ich denke, Kopfschütteln wird da wieder angebracht sein
ZitatAlles anzeigenDeutsche Lufthansa im Dauertarifstress
Gewerkschaften machen Druck
FRANKFURT/M. (dpa) - Die Flugbegleiter haben sich gerade noch mal vom Streik abhalten lassen, doch schon droht der Deutschen Lufthansa neues Ungemach an ihrer besonders komplexen Tariffront. Zum 31. März läuft der Gehaltstarifvertrag für die rund 4.400 Piloten der Lufthansa aus. Die kampfstarke Pilotenvereinigung Cockpit (VC) hat ihre Forderung bislang noch nicht vorgelegt.
Die Gewerkschaft richtet sich aber wegen zahlreicher strategischer Probleme im Konzern auf einen schweren Tarifkonflikt ein.
Wie kein anderes Unternehmen hat die Lufthansa mit untereinander konkurrierenden Gewerkschaften zu schaffen. Spätestens seit 2001 verliert nämlich die große Dienstleistungsgewerkschaft ver.di im Kranichnest schleichend ihren Einfluss an konkurrierende Spartengewerkschaften wie die VC und die Unabhängige Flugbegleiter Organisation (UFO), die eigene Tarifverträge für Piloten und Flugbegleiter abschließen.
Auch am Boden, wo ver.di mit seinen stärksten Truppen im Sommer 2008 noch einen fünftägigen Streik organisiert hat, gärt es: Vor allem an der Hauptbasis Frankfurt agiert ein eingetragener Verein mit dem beziehungsreichen Namen "Vereinigung Boden", der heftig gegen die ver.di-Politik streitet, von der Lufthansa als Tarifpartner aber abgelehnt wird.
Der Tarifexperte Hagen Lesch vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln hat die Folgen der Gewerkschaftskonkurrenz für das Unternehmen beschrieben: "Da jede einzelne Gewerkschaft durch Streiks die Produktion vollständig unterbrechen kann, fordert jede ihren Anteil am ganzen Unternehmensgewinn. Im Vergleich zu Verhandlungen mit einer einzigen Monopolgewerkschaft wird der Gewinn also mehrmals aufgeteilt."
Starke Spartengewerkschaften gibt es auch bei Fluglotsen, den Lokomotivführern oder den Ärzten.
Den durchsetzungsstarken Lufthansa-Piloten passt unter anderem der beschleunigte Expansionskurs der Linie nicht. Während die erfolgreiche Integration der zuvor mehrfach sanierten Swiss durchaus als Verdienst von Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber gewürdigt wird, treffen die angestrebten Akquisitionen wie die dauerhaft defizitäre Austrian Airlines (AUA) aus Österreich und die Brussels Airways aus Belgien auf tiefe Vorbehalte, berichten Piloten. Beide Gesellschaften fliegen derzeit noch in Konkurrenz zur Lufthansa ähnliche Strecken und das zu übernehmende Personal könnte den Karrierewegen mancher Lufthanseaten im Wege stehen.
Auch andere Zukäufe wie die British Midland und Jet Blue werden vor allem als Verlustbringer angesehen. Misstrauisch wird die Gründung der Lufthansa Italia beäugt, die künftig eigene Piloten anstellen will. "Demnächst werden fünf Lufthansa-Airbusse nach Mailand verlagert, die nicht zwingend von unseren Piloten geflogen werden", zürnt VC-Sprecher Markus Kirschneck. Eine solche Erosion von Arbeitsplätzen müsse verhindert werden.
Das sind nicht die einzigen Baustellen im Konzern, denn Cockpit will langfristig die stark unterschiedlichen Bezahlungen der Piloten bei der Mutter und den Regionalfliegern wie der Lufthansa CityLine, Augsburg Airways oder Contact Air nicht akzeptieren. Die VC schließt damit ein Flanke, die ver.di 2007 zum Gegenschlag genutzt hatte, indem sie mit hohen Nachschlagforderungen eine große Zahl der CityLine-Piloten auf ihre Seite brachte. Die Folge war ein tiefer Riss innerhalb der VC zwischen den Lufthansa-Traditionalisten und denjenigen mit einem breiteren Ansatz.
Das Vorbild der Piloten hat auch bei anderen Berufsgruppen im Konzern Begehrlichkeiten geweckt, die von ver.di nicht mehr unter einem Deckel zu halten waren. Längst organisiert UFO nach eigenen Angaben rund 70 Prozent der 16.000 Stewards und Stewardessen und fühlte sich in diesem Winter stark genug für einen ersten Streik in den Kabinen. Im gerade abgeschlossenen Tarifkonflikt machte UFO mit zwei Warnstreikwellen und einer eindeutigen Urabstimmung auf sich aufmerksam, schreckte aber noch einmal vor einem Arbeitskampf zurück. Ein Abschluss in der Nähe von brutto 10 Prozent besänftigte schließlich die Gemüter.
In seiner Not ruft Lufthansa-Personalchef Stefan Lauer in seltener Union mit der Deutschen Bahn AG, die mit ähnlichen Problemen kämpft, nach dem Gesetzgeber, der für höhere Streikhürden sorgen soll. Auch die Tarifgemeinschaft für mehrere Gewerkschaften in einem Unternehmen möchte Lauer gesetzlich vorschreiben lassen. Der arbeitgebernahe Tarifexperte Lesch sieht für derlei Vorschläge aber wenig Chancen: "Das wären letztlich alles sehr harte Eingriffe in die Tarifautonomie." Die Lufthansa muss wohl weiter mit ihren vielen Gewerkschaften auskommen.
© dpa / 22.03.2009
Quelle: aero.de