Streit um Branchentarifvertrag: Der Streik, für den die Bahn nichts kann

  • Bei den Tarifverhandlungen bei der Deutschen Bahn deutet alles auf einen Streik hin. Dieses Mal geht es nicht in erster Linie um mehr Geld, sondern um einen Branchentarifvertrag - und obwohl den in erster Linie die private Konkurrenz ablehnt, dürfte ein Streik vor allem die Deutsche Bahn treffen.


    Von Klaus-Rainer Jackisch, HR, für tagesschau.de


    Bahn-Fahrer sind Kummer gewohnt: Überfüllte Abteile, defekte Klimaanlagen, verspätete Züge und hohe Preise. Im August könnte die Leidensfähigkeit von König Kunde erneut getestet werden - denn die erst am Montag gestarteten Tarifverhandlungen zwischen der Tarifgemeinschaft bestehend aus Transnet sowie der Gewerkschaft der Eisenbahner (GDBA) und der Deutschen Bahn steuern auf einen Streik zu.
    Einigung bei Löhnen gilt als unproblematisch


    Ursache sind dieses Mal aber nicht überzogene Lohnforderungen, die zu dem massiven Ausstand der Lokführer 2007/2008 geführt hatten. Die Gewerkschaften fordern Verbesserungen in Höhe von sechs Prozent - ein Paket aus direkten Lohnerhöhungen, Vergünstigungen bei Nachtarbeit, besseren Altersteilzeit-Regelungen und einem Jobticket. Eine Einigung in diesen Punkten unter dem neuen Bahnchef Rüdiger Grube gilt als wenig problematisch. Denn Grube gilt im Vergleich zu seinem Vorgänger als moderat und kompromissbereit.


    Hauptkonfliktpunkt ist vielmehr die Forderung nach einem Branchentarifvertrag für den öffentlichen Nahverkehr – ein Punkt, der viel Zündstoff in sich birgt.


    Dabei ist die Deutsche Bahn durchaus bereit, auch in diesem Punkt eine Lösung zu finden - doch das eigentliche Problem liegt ganz woanders: bei den privaten Bahnen. Diese bestreiten derzeit rund 20 Prozent des öffentlichen Nahverkehrs in Deutschland. Weil die Bundesländer bei Ausschreibungen die Wettbewerbsregeln genau vorschreiben - vom Abstand der Sitze in den Zügen bis zur Knopfgröße an der Uniform des Schaffners, wie Kritiker spotten - können die rund 70 privaten Bahn-Unternehmen in Deutschland mit dem großen Konkurrenten Deutsche Bahn nur über den Preis konkurrieren.
    Die Lohnspirale dreht sich nach unten


    Und das tun sie auch: Sie zahlen ihrem Personal im Durchschnitt fünf bis 15 Prozent weniger als der Ex-Monopolist, in Einzelfällen bis zu 20 Prozent. Um nicht weitere Marktanteile zu verlieren, hat die Deutsche Bahn AG deshalb zahlreiche Tochtergesellschaften gegründet, die auf dem Markt ebenfalls mit Niedrigpreisen auftreten. Das geht, weil der Tarifvertrag der Bahn für diese Gesellschaften nicht gilt. Damit dreht sich die Lohnspirale immer weiter nach unten.


    Transnet und GDBA wollen dies nun stoppen, indem ein einziger branchenweiter Tarifvertrag auf hohem Niveau diese Lohndifferenz aushebelt. Doch bei den privaten Eisenbahnen läuft man dagegen Sturm: Die Lohnkosten seien die einzige Möglichkeit, um dem Ex-Monopolisten Aufträge abzujagen, sagt der Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Deutscher Eisenbahnen, Hans-Peter Ackmann, gegenüber tagesschau.de. Man sei strikt dagegen, dass dieser Vorteil der Privaten "jetzt mit der Dampfwalze des Branchentarifvertrages platt gemacht" werde.
    Verhandlungen mit den Privaten schon seit Jahren


    An dieser starren Haltung hat sich in den letzten zwei Jahren nicht viel geändert. Denn so lange verhandeln die beiden Gewerkschaften schon mit den privaten Eisenbahnen. Zwar sehe man etwas Bewegung bei einzelnen Unternehmen, "es findet dort ein Umdenken statt", sagt Heinz Fuhrmann, stellvertretender Vorsitzender der GDBA. Doch einen Durchbruch gibt es bislang nicht.


    Um nun den Druck zu erhöhen, droht die Tarifgemeinschaft ausgerechnet der Deutschen Bahn mit Streik, obwohl der Ex-Monopolist mehrfach deutlich gemacht hat, dass er dem Vertrag nicht im Wege steht. Es sei ganz klar, "dass die Deutsche Bahn an einer Lösung für die gesamte Branche mitwirken" werde, so Bahnsprecher Achim Stauß nach der ersten Verhandlungsrunde. Schon im Vorfeld hatte Bahn-Chef Rüdiger Grube deutlich gemacht, dass sein Unternehmen kein Interesse an Niedriglöhnen habe - und die Ausgründung von Töchtern sei "schlichtweg Notwehr", sagte er der Zeitung "Die Welt", schließlich wolle der Konzern seine Mitarbeiter schützen: "Eine Million Zugkilometer sichern 50 Arbeitsplätze", so Grubes Rechnung.
    Bahn fühlt sich in Geiselhaft genommen


    Bei der Deutschen Bahn fühlt man sich daher von den Gewerkschaften mit der Streik-Drohung wieder einmal in Geiselhaft genommen, auch wenn man das offen nicht sagen mag - schließlich ist nicht der Ex-Monopolist das Problem, es sind die privaten Eisenbahnen.


    Das wissen natürlich auch die Gewerkschaften - doch sie stehen mit dem Rücken zur Wand und sehen kein anderes Mittel mehr. Aber sie glauben auch den Aussagen der Deutschen Bahn nicht uneingeschränkt: Warum sollte ein Unternehmen, das langfristig an die Börse strebt und sich zunehmend der internationalen Konkurrenz ausgesetzt sieht, kein Interesse daran haben, das Lohnniveau generell zu drücken? Das würde doch Kosten senken, meint ein Gewerkschafter. Für Alexander Kirchner, den Vorsitzenden der Gewerkschaft Transnet, ist der Branchentarifvertrag daher von entscheidender Bedeutung. Komme er nicht, würden "sämtliche Ausschreibungen dazu führen, dass die Lohn- und Sozialstandards der bis dahin beschäftigten Mitarbeiter nach unten" gehen, sagte Kirchner tagesschau.de.


    Eine Lösung ist nicht in Sicht


    Wie in dieser verfahrenen Situation eine Lösung gefunden werden soll, ist derzeit noch völlig offen. Alarmiert von möglichen Streiks rief der zuständige Staatsekretär im Bundesverkehrsministerium, Klaus-Dieter Scheuerle, die Beteiligten in der vergangenen Woche schon mal nach Berlin. Doch mehr als mahnende Worte durfte die Bundesregierung nicht aussprechen - Tarifverhandlungen sind Hoheitsgebiet der Tarifpartner.


    Am Donnerstag wollen sich Gewerkschaften, Deutsche Bahn und einige private Eisenbahnen in Fulda zumindest zu einer Tarif-Konferenz zusammensetzen, um ihre Positionen auszuloten. Von diesem Treffen hängt viel ab: Scheitert es, stehen die Weichen auf Streik.
    GDL geht wieder Sonderweg


    Nicht dabei ist übrigens wieder einmal die Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL), die auch in diesem Konflikt ihr eigenes Süppchen kocht. Zwar will auch die GDL eine übergeordnete Tarifregelung für öffentliche und private Bahnen und strebt ein Konstrukt mit dem sperrigen Namen "Bundesrahmen-Lokomotivführer-Vertrag" an. Der soll aber eben nur für die Lokomotivführer gelten und im Unterschied zu den Plänen der anderen Gewerkschaften "nicht nur den Nah-, sondern auch den Fern- und Güterverkehr umfassen", erklärt GDL-Sprecherin Gerda Seibert. Diese Verhandlungen zwischen GDL und Deutscher Bahn beginnen am Freitag in Berlin.


    So geht das Hickhack der zerstritten Bahngewerkschaften also in eine neue Runde. Und wieder einmal dürfte vor allem einer das Nachsehen haben - König Kunde. Doch der hat in den Überlegungen der Gewerkschaften noch nie eine große Rolle gespielt.


    Da sag ich nur : Viel Spaß :(:thumbdown:

  • wunderbar! Jetzt kann sich die DB doch sogar mal freuen, jetzt haben sie endlich mal genug Zeit, um Klimaanlagen, Achsen etc. zu warten :duw:

    Liebe Grüße
    Niclas


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    Blau und Weiß ein Leben lang
    Lieber 4 Minuten Meister als eine Sekunde Bayern (und Lüdenscheid-)Fan


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  • Was ist das wieder lächerlich. Die Transen sorgten einst dafür das ein Vertrag ins Leben gerufen werden konnte, das Lokführer, die sogenannten Tf1000, bis zu 800€ netto weniger verdienen ließ als unsereins... Jetzt, wo die GDL einen BuRa-LfTV haben möchte, da kommt die Kasperlegemeinschaft der DB auf die Idee auch mit zu ziehen. Muss ja schön aussehen. Es ist einfach nur lächerlich was die Transen von sich geben und wie sie immer wieder versuchen in ein gescheites Licht zu rücken.... Da lobe ich mir meine GDL.


    Hier mal die GDL Forderungen:
    " Fünf Prozent mehr Lohn bei einer Referenzarbeitszeit von 38 Stunden pro Woche und ein vernünftiger Schutz bei Fahrdienstuntauglichkeit für Lokomotivführer. Das sind zwei Kernforderungen der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) in den Verhandlungen zum Bundes-Rahmen-Lokomotivführertarifvertrag (BuRa-LfTV) mit der Deutschen Bahn (DB) am 16. Juli 2010 in Berlin.


    Ein Lokomotivführer soll dann je nach Berufserfahrung ein jährliches Bruttoentgelt zwischen 34 000 und 40 000 Euro erhalten. Außerdem können Lokomotivführer − insbesondere nach traumatischen Ereignissen − manchmal keine Züge mehr führen. Der Schutz bei Fahrdienstuntauglichkeit soll die Weiterbeschäftigung des Lokomotivführers garantieren und Lohneinbußen ausgleichen, die bei einem Arbeitsplatzwechsel entstehen können.


    Außerdem fordert die GDL die Anwendung des Lokomotivführertarifvertrags auf alle Lokomotivführer der DB, auch in den noch zu gründenden Tochterunternehmen. Durch Ausgründungen versucht die DB derzeit, dass Tarifniveau für Lokomotivführer abzusenken. „Diesen Bemühungen werden wir nachdrücklich entgegentreten“, so der GDL-Bundesvorsitzende Claus Weselsky.


    Gewinnt die DB eine Ausschreibung, muss sie sich verpflichten, die bisher beim Vorgängerunternehmen beschäftigten Lokomotivführer mindestens zu den Konditionen des BuRa-LfTV weiter zu beschäftigten. „Bisher wurden diese Lokomotivführer auf die Straße gesetzt und das neue Unternehmen hat, meist mit Förderung der Bundesanstalt für Arbeit, neue Lokomotivführer ausgebildet. Die Arbeitnehmer müssen dann mit ihren Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung sowohl für die Arbeitslosigkeit als auch für die Ausbildung bezahlen und der gut ausgebildete Lokomotivführer schaut in die Röhre“, so Weselsky.


    Die GDL fordert schließlich die DB auf, ihre hochwertige Lokomotivführerausbildung in all ihren Unternehmen beizubehalten beziehungsweise in neu gegründeten einzuführen.


    NE-Bahnen haben Verhandlungsbereitschaft signalisiert
    Die GDL hat auch die NE-Bahnen, insgesamt 68 Einzelunternehmen, aufgefordert, kurzfristig Tarifverhandlungen zum BuRa-LfTV aufzunehmen. Diese haben auch schon ihre Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Ein konkreter Termin steht allerdings noch nicht fest. „Unser Ziel ist ein gleiches Lohnniveau für alle Lokomotivführer in Deutschland auf DB-Niveau“, so der GDL-Bundesvorsitzende: „Mit dem BuRa-LfTV kann der Wettbewerb auf der Schiene über die Lohnkosten der Lokomotivführer ein für alle Mal beendet werden.“ Der Wettbewerb wird dann über die intelligentesten Verkehrskonzepte, die umweltfreundlichsten Fahrzeuge, um Sicherheit, Service und um Pünktlichkeit ausgetragen. Das Ergebnis heißt dann:
    Faire Löhne – fairer Wettbewerb."



    Aktuelles von den Transen, veröffentlicht von der GDL:
    " Die Transnet wird den Bundes-Rahmen-Zugbegleitertarifvertrag (BuRa-ZubTV) nicht verhandeln. Das teilte sie der GDL am 8. Juli 2010 mit: „Keinesfalls werden wir einen von Ihnen geforderten Bundesrahmentarifvertrag für Zugbegleiter verhandeln.“ Die Transnet weigert sich damit, folgende Forderungen für Zugbegleiter umzusetzen:


    1. fünf Prozent mehr Lohn auf der Basis der Tarifverträge des Marktführers;
    2. Weiterbeschäftigung zu gleichen Konditionen bei einem Betreiberwechsel: Übernimmt ein anderes Eisenbahnverkehrsunternehmen ausgeschriebene Verkehrsleistungen, müssen Zugbegleiter mindestens zu den Konditionen des BuRa-ZubTV weiterbeschäftigt werden;
    3. Schutz vor Verlust der Tauglichkeit: Wird ein Zugbegleiter gesundheitsbedingt untauglich für seinen Beruf, müssen eine angemessene Weiterbeschäftigung und mindestens 90 Prozent des Lohns garantiert werden;
    4. Referenzarbeitszeit von 38 Stunden pro Woche sowie
    5. Mindestnormen der Zugbegleiter-Qualifizierung.


    Die Position der Transnet stellt nicht nur eine Missachtung der Leistung der Zugbegleiter dar, sondern zeigt unmissverständlich, dass die Interessen des Fahrpersonals nur von der GDL ernsthaft vertreten werden.


    Das muss einen auch nicht wundern: In den Regio-Ergänzungstarifverträgen 2002 sollten die Verschlechterungen ebenfalls nur das Fahrpersonal betreffen. Zumindest in der Missachtung der Leistung der Zugbegleiter ist die Politik der Transnet stringent und zuverlässig. "