Die Typologie der Bordmagazine

  • Zu Unrecht fristen sie ein Schattendasein als Bedarfslektüre: Wer Bordmagazine genau liest, entdeckt mehr als ein leichtes Potpourri aus Reisezielen, Accessoires und TV-Prominenz. Er lernt, wie der Carrier wirklich tickt - und seine Kunden sieht.


    Safi Airways


    Das Schwimmbad von Kabul ist groß. So groß, dass darin olympische Wassersportwettkämpfe stattfinden könnten. Der Haken an der Sache: Seit die Russen das Becken erbaut haben, war fast noch nie Wasser drin. Die Pumpen sind zu schwach für die Steigung bis hoch zum Becken. Aber zumindest dienen die Sprungbretter nicht mehr für Hinrichtungen wie früher bei den Taliban.


    All das wissen Sie, wenn Sie das Magazin von Safi Airways gelesen haben. Die private afghanische Fluglinie fliegt unter anderem von Frankfurt nach Kabul. Da gibt es nichts zu beschönigen: Was die Fluggäste am Ziel erwartet, lässt Safi in abgrundtiefer Ehrlichkeit ausführen. Die Anzeigen bewerben Satellitentelefone und gepanzerte SUVs. Die Fotos zeigen zerbombte Gebäude, heroinsüchtige Afghanen und Hundekämpfe. Die Artikel geben praktische Tipps wie: Halten Sie sich von Militärkonvois fern, dort sind Selbstmordanschläge am wahrscheinlichsten. Gute Reise!


    http://www.safi-airways.com/pdf


    Privatair


    Für Sie beginnt der Tag nicht mit der Frage "Tee oder Kaffee?", sondern "Brunch in Abu Dhabi oder Breakfast in Notting Hill?" Die Reise hierfür bucht Ihre Travelmanagerin, und natürlich fliegen Sie nur im eigens gemieteten Jet, etwa von der Schweizer Firma Privatair. Deren Bordmagazin hat sich darauf vollkommen eingestellt. Seine 80 Hochglanzseiten präsentieren alle erdenklichen Formen des Luxus.


    Wichtig dabei: Individuell soll es sein und möglichst weit weg vom gemeinen Volk. Entsprechend menschenleer geht es auf den Fotos zu, die in das luftige Layout eingestreut sind. Privatstrände in Thailand sind da zu sehen, streng limitierte Uhren, seltene chinesische Kunstwerke. Was man eben für Hobbys hat, wenn auf dem Konto pro Jahr ein paar Millionen eingehen. Auch die wenige Werbung bietet nur Erlesenes: Immobilien auf Barbados oder Picknickkörbe von Harrod's, bestückt mit Beluga-Kaviar, Champagner und Wachteln. Die könnte man sogar in Gesellschaft genießen.


    Air Berlin


    Wer gern über verschwurbelte Managersprache spottet, ist noch nie mit Air Berlin geflogen. Joachim Hunold, raubeiniger Boss der Fluglinie, schreibt im Editorial des Magazins regelmäßig Klartext. Legendär sein Brandbrief gegen die "mittelalterliche Kleinstaaterei" der Spanier, die auf Mallorca die gewöhnungsbedürftige Regionalsprache Katalanisch kultivieren und selbige auch an Bord zu hören wünschen.


    Doch auch die Langzeitfolgen der Stuttgart-21-Proteste ("Wenn in Deutschland keine Straßen, Flughäfen oder Bahnhöfe mehr gebaut werden dürfen, sind wir auf dem Weg zu einem Entwicklungsland") oder die Schwarzmalerei der Deutschen ("Wir jammern beim kleinsten Wehwehchen") kommentiert der Chef persönlich, stets untermalt von einer Karikatur im hinteren Heftteil. Dort turnt auch der Air Bär über die Seiten, eine pelzige Comicfigur mit roter Fliegermütze. Mal muss der Air Bär auf der Berliner Pfaueninsel übernachten, mal macht er einen Ausflug nach Alcatraz oder schnappt Falkendiebe in Dubai. Ärgern über Kleinstaaterei muss er sich übrigens nie: Wohin Air Bär auch reist - alle sprechen deutsch.


    http://www.airberlin.com/jumppages/magazin.php


    Ryanair


    Billigflieger haben kein Geld für den "Playboy", hat man sich beim "Ryanair Magazine" offenbar gedacht. Deshalb posiert in jeder Ausgabe eine nackte Schönheit - rekrutiert aus dem Firmenpersonal. Also Augen auf, vielleicht ist ja die Stewardess dabei, die Sie immer so freundlich anlächelt! Ihre Frau ist währenddessen sicher abgelenkt: Es gibt ja so viel zu sehen, was man kaufen könnte. Allein 30 Seiten sind für den Bordshop reserviert. Außerdem liegt der Schwerpunkt jeder Ausgabe auf einer anderen Stadt. Aufgezählt werden nicht nur Bars, Geschäfte, Kulturangebote, Hotels, sondern auch die wichtigsten Ziele für Schnäppchenjäger: Wo gibt es gratis Stadtführungen, wo kann ich einen Wein probieren oder ein Häppchen für lau abgreifen?


    http://www.ryanairmag.com


    Eurostar


    Es ist ein Kreuz mit der Sprachenvielfalt unseres schönen Kontinents! Und wir reden hier nicht von dem Aufwand, der für die 23 Amtssprachen der EU getrieben wird. Nein, babylonische Zustände sind auch dort zu finden, wo man es nie vermutet hätte: unter dem Ärmelkanal. Nicht eine, nicht zwei, nein, drei Sprachen versammelt "Metropolitan", das Magazin des europäischen Tunnelzugs Eurostar. Auf Französisch, Englisch und Flämisch weiß das Journal die Kanalquerer zu unterhalten. Bloß, weil die Züge nicht nur England und Frankreich verbinden, sondern auch durch Belgien fahren.


    Allerdings pflegt das Magazin einen sonderbaren Umgang mit dem streitfreudigen Beneluxland. Ins Flämische übersetzt wird zwar der Text über die französische Phase des Malers Paul Gauguin, ebenso eine Reportage über Vogelbeobachter auf den Wolkenkratzern Londons. In Austern-Bars und edle Modestudios nimmt das Magazin seine Leser aber nur auf Englisch und Französisch mit. Ein subtiler Seitenhieb gegen die frankofone Wallonie, wo man das im fleißigen Flandern verdiente Geld verprasst? Ein Appell zur nationalsprachlichen Einheit? Vielleicht hatten die Blattmacher auf der Euro-skeptischen Insel aber auch einfach nur keine Lust auf noch eine Übersetzung.


    Quelle: FTD