Interview: Air-Berlin-Chef Joachim Hunold "Natürlich bin ich nicht zufrieden"

  • Air-Berlin-Chef Joachim Hunold


    "Natürlich bin ich nicht zufrieden"


    Die Fluggesellschaft Air Berlin steckt tief in den roten Zahlen, ihr Chef Joachim Hunold gilt als verschwiegen und verschroben. Im FTD-Gespräch redet er über die Probleme bei seiner Airline und seine Pläne.


    Die Schlagzeilen, die Air-Berlin-Chef Hunold zuletzt über sich lesen musste, waren vor allem eins: negativ. Trotz des Wirtschaftsaufschwungs hat die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft auch 2010 Verluste geschrieben. Der 61-Jährige muss sich fragen lassen, ob er noch der Richtige ist, um den rasant gewachsenen Konzern zu leiten.


    Das Aufschwungjahr 2010 brachte seiner Fluggesellschaft statt kräftiger Gewinne einen operativen Verlust in Millionenhöhe ein. Air-Berlin-CEO Joachim Hunold geriet deshalb in die Kritik, Spekulationen um mangelnden Rückhalt im Aufsichtsrat wurden laut. Zum Interview erscheint Joachim Hunold sichtlich entspannt. Und das, obwohl seine eigene Fluglinie ihn verspätet zurück nach Berlin gebracht hat: Am Flughafen Tegel war an diesem Tag viel los.


    Herr Hunold, Sie können einfach nicht loslassen. Seit Januar suchen Sie nach einem neuen Vertriebsvorstand. Jetzt machen Sie den Job wieder selbst. Sie wollten sich doch nicht mehr so stark einmischen?


    Hunold
    Ja. Ich mache das jetzt zusätzlich, bis wir jemand Neues gefunden haben. Das Unternehmen hat jetzt einfach eine Größe, wo wir ein zusätzliches Vorstandsmitglied brauchen. Wir kommen bei der Suche gut voran. Es gibt international genug gute Leute. Aber die liegen nicht auf der Straße, sonst wären sie ja nicht so gut. Die Besten sind in festen Positionen.


    Der neue Manager muss höhere Ticketerlöse durchsetzen und den Beitritt zur Luftfahrtallianz Oneworld organisieren. Haben Sie das dem bisherigen Vertriebsvorstand, Christoph Debus, nicht mehr zugetraut?


    Hunold
    Christoph Debus ist ein allgemein anerkannter Fachmann. Er hat auch noch die Integration der LTU ge-stemmt - mit vier, fünf Tarifverhandlungen wöchentlich - und da einen tollen Job gemacht. Das ist ein Mammutprojekt, an dem wir weiter arbeiten. Gleichzeitig müssen wir die gesamte Preisstrategie ändern: Im letzten Jahr haben wir 3 Euro pro Passagier weniger verdient. Das schlug mit gut 100 Mio. Euro auf das Ergebnis durch. Und 2010 hatten wir einen Verlust von 9,3 Mio. Euro. Der Aufgabe müssen wir ebenso viel Aufmerksamkeit schenken wie dem Oneworld-Beitritt. Das alles haben wir im Board im Konsens beschlossen. Aber als Vorstandschef steht man natürlich immer besonders in der Verantwortung.


    Sie meinen die bohrenden Fragen, ob Sie noch der richtige Chef sind und wann Sie endlich Platz für einen Nachfolger machen?


    Hunold
    Mein Job macht mir Riesenspaß. Mein Vertrag läuft bis 2014, und ich habe vor, den zu erfüllen, wenn der Aufsichtsrat das mitmacht. Und daran habe ich keinen Zweifel.


    Es heißt aber, dass Ihr Aufsichtsratschef Hans-Joachim Körber schon einen Nachfolger sucht.


    Hunold
    Herr Körber hat intern deutlich gemacht, dass das Board geschlossen hinter allen operativ tätigen Mitgliedern des Vorstandes steht. Die Suche nach einem Vertriebsvorstand hat jetzt Vorrang. Aber natürlich müssen wir dann auch entsprechende Strukturen einziehen, damit das Unternehmen weitergeführt werden kann, wenn ich nicht mehr da bin. Dass sich die Kultur dann ändern wird, ist auch logisch. Wir werden uns darüber zu gegebener Zeit Gedanken machen. Aber das werden wir nicht öffentlich, sondern intern besprechen.


    Und da können Sie umfassend mitbestimmen, weil Air Berlin als britische PLC firmiert, wo es nicht die strikte Trennung zwischen Aufsichtsrat und Vorstand gibt. Wagt es denn jemand, Ihnen zu widersprechen?


    Hunold
    Da sind wir alle sehr professionell. Wir haben ja auch starke Persönlichkeiten im Board, die jahrelange Führungsverantwortung in der Wirtschaft mitbringen: Zum 1. Mai verstärken wir uns mit Barbara Cassani, die für British Airways gearbeitet hat, und mit Saad Hammad, dem früheren Vertriebsvorstand bei Easyjet. Außerdem muss bei uns, im Gegensatz zu einer deutschen AG, ständig mit dem gesamten Board offen diskutiert werden. Dort werden alle wichtigen Entscheidungen getroffen - und das bisher immer im Konsens. Die nicht operativ tätigen Board-Mitglieder sind in der Mehrheit. Und ich habe kein Vetorecht.


    Wo sehen Sie Air Berlin in fünf Jahren?


    Hunold
    Schwierige Frage. Vor fünf Jahren hätte ich bestimmt nicht gesagt: so wie wir heute dastehen. Wir haben strategische Weichenstellungen vorgenommen wie den Börsengang oder die Zukäufe. An Übernahmen denke ich derzeit nicht.


    Aber der nächste logische Schritt ist der Beitritt zur Oneworld-Allianz. Damit wird sich auch das Bild von Air Berlin in den nächsten fünf Jahren verändern.

    Und wo ist Ihr Ehrgeiz geblieben?


    Hunold
    Wieso?


    Für 2011 versprechen Sie Ihren Investoren lediglich mehr Umsatz und einen operativen Gewinn nur, wenn nichts Schlimmes dazwischenkommt. Von einem Nettogewinn ganz zu schweigen.


    Hunold
    Wir sind vorsichtiger geworden. Bevor wir die Ziele nicht erfüllen, setzen wir sie lieber etwas niedriger. Die Nordafrika-Krise und der steigende Ölpreise sorgen für schwierige Rahmenbedingungen. Das sind keine Ausreden. Schon eine Aschewolke kann das Geschäft kaputt machen.


    Das war 2010 im Frühjahr. Trotzdem haben Sie bis ins vierte Quartal gedacht, dass das Vorjahresergebnis übertroffen würde.


    Hunold
    Wir waren auch auf einem guten Weg. Aber dann kam der harte und schnelle Wintereinbruch. 2010 war ein Jahr, wie es das in der Touristik noch nie gegeben hat. Ferienflüge machen ein Drittel unseres Geschäfts aus, deshalb waren wir überproportional betroffen. Und dann hatten wir den Preisrückgang um 3 Euro pro Passagier.


    Dann müssen Sie eingestehen, dass Ihr Geschäftsmodell gescheitert ist.


    Hunold
    Moment! Als Wettbewerber auf der Langstrecke 2003 wegen der Sars-Epidemie Buchungsrückgänge hatten, da hat doch auch keiner deren Geschäftsmodell infrage gestellt. Oder nach dem 11. September. Wir haben 2009 immerhin in einem extrem schwierigen Jahr eine relativ gute Marge von knapp einem Prozent erzielt und damit die Tragfähigkeit unseres Geschäftsmodells bewiesen.


    Aber manchen Unwägbarkeiten können Sie nicht standhalten?


    Hunold
    Es ist Fakt, dass wir mit der Expansion in den vergangenen Jahren erst mal viel in unsere Zukunft investiert haben. Deshalb treffen uns unvorhergesehene Ereignisse härter als diejenigen, die ein dickeres Polster haben. Aber wir sind auf einem guten Weg. Es dauert nicht mehr lange, dann werden wir die Früchte ernten.


    Dafür müssen Sie vor allem die Preise wieder erhöhen. Aber wie soll das gehen, wenn die Lufthansa jetzt mit 59-Euro-Tickets angreift?


    Hunold
    Unser Eckpreis liegt bei 44,99 Euro und hat damit Luft nach oben. Der Wettbewerb macht seit Jahren Kampfansagen. Wir sind trotzdem immer gewachsen. Außerdem hat der Geschäftsreisemarkt kräftig angezogen. Die Touristik läuft gut - bis auf Ägypten. Mallorca ist im Plus. Deshalb sind wir zuversichtlich, dass wir bessere Preise durchsetzen können.


    Dann ist das Ziel von vier bis fünf Prozent Gewinnmarge in Sicht?


    Hunold
    Wir haben viele Maßnahmen eingeleitet, um in den Bereich zu kommen. Aber der Ölpreis spielt dabei auch eine entscheidende Rolle.


    Da bleibt wenig Fantasie für Aktionäre, zu denen Sie selbst zählen.


    Hunold
    Natürlich bin ich nicht zufrieden mit den Zahlen. Ich habe trotzdem immer Anteile nachgekauft, weil ich an das Unternehmen glaube. Das ist ein Großteil meiner Altersvorsorge. Aber wenn wir uns kommendes Jahr weiterentwickelt haben und die Gewinne da sind, die wir anstreben, wird sich auch der Aktienkurs bewegen. Wir haben in der Vergangenheit gezeigt, dass man uns nicht unterschätzen sollte.


    Quelle: FTD