Man kann es auf die Journalisten und Sender schieben, aber ich sehe es etwas differenzierter.
1. Vieles vom Journalismus ist kein Journalismus, sondern PR.
Wir machen uns viel zu wenige Gedanken darüber, wie wenig Personal die Verlage tatsächlich haben und wie viele Informationen sie sich zukaufen und wie viel da auch von Unternehmen gesponsert wird. Wenn im HitRadio FFH das Tagesthema "Urlaubsplanung" ist und Rob Green da erzählt, dass er "live" den Herrn Prof. Dr. Urlaub in der Leitung hat, der über den optimalen Buchungszeitpunkt für All-Inclusive-Reisen redet, dann ist das weder live, noch hat Rob Green das Interview geführt. Das hat TUI von einer Agentur produzieren lassen, das Skript mit den Anmoderationsvorschlägen ist im Presseportal und die Antworten des "Experten" sind bereits fertig geschnitten.
Oder was glaubt ihr, was Mercedes dafür zahlt, dass bei Galileo das "neue, innovative automatische Bremssystem" getestet wird? Und wenn in einer Zeitung etwas über gesunde Ernährung steht, dann kommt das auch nicht von einer Redakteurin. Das kommt von eine Presse-Abteilung in einem Unternehmen, welches damit Umsatz bezweckt. Die Verlage und Radiosender finanzieren sich über solche bezahlten Inhalte. Die Unternehmen nehmen ihnen die Arbeit ab, kreative und unterhaltsame Beiträge zu recherchieren und zu produzieren.
Und wenn auf NBC Sully Sullenberger gegen Airbus schießt, und auf das Boeing-System schwört, dann wird das auch nicht zufällig gesendet. Es hat in Amerika zum Beispiel keiner gesendet, dass der Absturz in San Francisco hätte verhindert werden können, wenn die Boeing ein Airbus gewesen wäre. Und was wurde ein Trubel wegen des brennenden Tesla Model S gemacht...
2. Die Zeitung interessiert am Ende des Tages ihr Umsatz.
Müssen die ganzen Journalisten am Ende des Tages Umsatz machen. Umsatz ist deren Überlebensgröße. Genau wie eine Facebook-Seite Likes braucht, braucht eine Zeitung Käufer. Und wer will denn jeden Tag vom Mittelmeer, Afghanistan, Israel, Russland, dem Dschungel, den Eiskappen, dem Klimawandel, dem Bienensterben, etc lesen? Die Titelseite muss packend sein, damit die Zeitung gekauft wird. Und wenn eine nackte Frau drauf ist, die ich mir ausschneiden und in den Schrank kleben kann, umso besser! Solange die Zeitung gekauft wird, erreicht die Zeitung ihre Auflage, zahlt der Werbekunde seine Rechnung, ist die Zeitung gerettet. Wenn wegen des irrelevanten PR-Artikels am Ende des Tages 1-2 % ein Produkt kaufen, rechnet sich der Marketing-Kanal "Zeitung" oder "Radio" für das Unternehmen. Interessiert den Werbekunden doch nicht, was mit dem Rest ist. Solange der Käufer ein/zwei Artikel gelesen, oder Beiträge gehört hat, die er interessant fand, wird er die Zeitung wieder kaufen. Und die anderen Sachen überliest oder überhört er einfach.
Und wir haben auch alle auf die Links geklickt, bei denen vermeintlich etwas neues zum Thema stand. Dass bei jedem Klick Focus-Online Werbeeinnahmen aus Google-Adsense und Google Werbeeinnahmen aus Google AdWords hatte, hat uns dabei auch nicht interessiert. Und wir haben uns auch brav die 30 Sekunden-Spots angesehen, die vor dem 45 Sekunden-Video gezeigt wurden.
3. Guten Journalismus finden die Menschen toll, solange er nichts zusätzlich kostet.
Wir kennen es alle: zahlen wir wirklich 2 Euro für ein Tages-Abo, um den Artikel online zu lesen? Oder googlen wir einfach nach einer anderen Quelle, die den selben Inhalt kostenlos anbietet? Jeder beschwert sich in Deutschland über den "Gebührenservice", obwohl damit genau das finanziert wird, was sich alle wünschen würden: seriöser Journalismus. Und ich höre dich schon, lieber Dude, dass die ÖR es ja auch nicht besser machen, und vielleicht ist da auch einiges an Beeinflussung und Kontrolle durch die Politik. Aber mit Sicherheit nicht in dem Maß, wie es bei den privaten Medien ist.
Aus dem Dilemma sehe ich aber auch keinen wirklichen Ausweg. Wenn sie Sender guten Journalismus machen wollen, brauchen sie mehr Geld. Dafür brauchen sie Werbekunden. Für guten Journalismus müssten sie die Werbekunden aber loswerden. Dann müssten sie das Geld anderswo herbekommen. Wenn sie die Zeitung teurer machen, konsumieren die Verbraucher eben eine andere Zeitung. Ich frage mich: brauchen wir die Journalisten dann eigentlich überhaupt noch? Wenn wir sowieso bei jedem Artikel zweimal überlegen müssen, wer denn wohl davon finanziell profitiert, dass es genau so geschrieben steht, oder gesagt wird... Den Vorteil der Filterfunktion gegenüber der Social Media besteht dann eigentlich nicht mehr.
Wird man dann künftig die PR-Artikel auf den Facebook-Seiten lesen? Und die Breaking-News auf Twitter? Und was passiert dann mit investigativem Journalismus? Wer finanziert den?
Aber jetzt bin waaaaay off topic geraten....