Sehr interessanter Artikel aus dem Handelsblatt!
ZitatAlles anzeigenBerlinWenn es darum geht, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu sichern, dann ziehen Wirtschaft und Politik mitunter an einem Strang. Mit welchem Erfolg, das muss sich wie im Fall des deutschen Luftverkehrs erst noch erweisen. Immerhin: Bund und Länder legen jetzt erstmals ein „nationales Luftverkehrskonzept“ vor, dass zumindest in Teilen auf die Wünsche der Branche eingeht.
Der Luftverkehrsindustrie geht es insbesondere darum, die Nachtflugmöglichkeiten auszuweiten. Verbindliche und wettbewerbsfähige Nachtflugoptionen müssten in einem solchen Konzept „dauerhaft“ festgelegt werden, erklärten Spitzenmanager sowie der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) am Mittwoch in Frankfurt. „Es kann nicht sein, dass die Betriebszeiten an deutschen Flughäfen Standort für Standort weiter eingeschränkt werden, während Wettbewerber staatlich unterstützt rund um die Uhr fliegen dürfen“, sagte Frankfurts Flughafenchef Stefan Schulte.
Der Aufschrei Schultes kommt nicht von ungefähr. Denn ein gewichtiger Teil des deutschen Außenhandels wird auf dem Luftweg abgewickelt. Laut den letzten aktuellen Zahlen schrumpfte im Jahr 2012 das gesamte Frachtvolumen an den deutschen Airports allerdings deutlich. Dies lag nicht zuletzt am neuen Nachtflugverbot am wichtigsten Frachtdrehkreuz, dem Flughafen Frankfurt am Main.
Hier kommt die Politik ins Spiel. Aus einem dem Handelsblatt vorliegenden „nationalen Luftverkehrskonzept“ geht hervor, dass Bund und Länder künftig gemeinsam festlegen sollen, „welche Flughäfen von besonderer nationaler Bedeutung für die Leistungsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland sind“. Konkret bezieht sich das auf die wichtigen Drehkreuze Frankfurt, München, Leipzig und Köln/Bonn. Diese Airports sollen Teil der Infrastrukturplanung des Bundes sein, also aus der Länderzuständigkeit gelöst werden. Das sieht das Bund-Länder-Papier vor. An den für die Wirtschaft wichtigsten Flughäfen sollen Airlines auch „Tag und Nacht Fracht fliegen können“, fordert Kommissionsmitglied Michael Groschek (SPD), Verkehrsminister von Nordrhein-Westfalen.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) zeigte sich offen für die Wünsch der Luftfahrtindustrie und will Teile des Forderungskatalogs in das geplante nationale Luftverkehrskonzept aufnehmen. „Das ist für uns ein wichtiges Papier, das einfließen wird in die geplanten Arbeiten an einem Luftverkehrskonzept“, sagte eine Sprecherin des Ministers. Einzelheiten nannte sie nicht, da die Arbeiten an dem Gesamtkonzept erst begännen.
Die Pläne dürften nicht einfach umzusetzen sein. Daher fürchtet das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) schon, Deutschland könnte im Weltluftverkehr ins Hintertreffen geraten. Hintergrund sind die vielen Vorbehalte gegen Nachtflüge und die Aufhebung weiterer Beschränkungen für die Branche. In München protestieren Anrainer bereits gegen eine weitere Start- und Landebahn. Und in Frankfurt würde die Nonstop-Nachtflug-Strategie erst recht für heftige Bürgerproteste sorgen. Denn in Hessen hat die schwarz-grüne Regierung gerade erst nach Dauerprotesten lärmgeplagter Bürger angekündigt, neben dem Nachtflugverbot weitere Lärmpausen am Frankfurter Flughafen einzurichten.
Entsprechend harsch fällt die Kritik des noch amtierenden Wirtschaftsministers von Hessen, Florian Rentsch (FDP), aus. Es sei „fatal, die ohnehin schon rigiden Betriebsbeschränkungen am Frankfurter Flughafen noch weiter verschärfen zu wollen und eine Diskussion über die rechtlichen Rahmenbedingungen vom Zaun zu brechen“, sagte Rentsch. „Das ist das Gegenteil von Standortpolitik.“