"Einmal über den Teich, bitte!" - Mit der 737 auf langer Reise

    • Offizieller Beitrag

    So oder so ähnlich kann es klingen, wenn im Büro nach einem Flieger verlangt wird.


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    Heute ist es eine größere Gruppe von Geschäftsmännern, die aus Schottland von einer Firma nach Boston gebracht werden soll. Es scheint um viel zu gehen, warum bucht man sonst eine ganze BBJ für knapp 20 Mann? Aber auch das gehört zu unserem Alltag.


    Keine Fragen – absolute Diskretion.


    Also, zurück zum Thema. Es geht über den Atlantik von Edinburgh nach Boston, wir kommen aus dem (mir persönlich etwas zu) warmen Ägypten. Der Auftrag kam recht kurzfristig, eigentlich war eine etwas längere Pause in Nordafrika eingeplant. Aber so ist es nun mal. Mein Co und Ich haben also unsere sieben Sachen wieder gepackt und wurden zurück zum Flughafen gefahren. Ab in den Flieger und zurück in das (noch) Vereinigte Königreich. Dort wurden wir am Business-Aviation-Apron geparkt, der nicht wirklich für einen Jet in der Größe einer BBJ gedacht ist. Die Schotten waren aber erfinderisch und haben uns rückwärts in eine Ecke geschoben. Case closed.


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    Rund anderthalb Stunden vor dem Abflug trafen wir am Flughafen ein, der Dispatcher hatte kurz vor Dienstschluss noch was geplant – im Headquarter in Las Vegas waren es immerhin zu dem Zeitpunkt auch schon 0 Uhr.


    Unsere Route heute führt uns zuerst in südwestliche Richtung aus Edinburgh heraus, aufgrund des Windes über dem Atlantik scheint sich ein solcher Umweg doch zu lohnen. Über Dublin biegen wir rechts ab und überfliegen Irland. Dort geht es auf NAT A, der uns bis kurz vor Gander bringt. Danach folgen wir einer NAR (North Atlantic Route) bis kurz vor Boston. Dann nur noch nach Kennebunk und schon befinden wir uns im Anflug auf Boston. Das sollte nach etwa 6 ½ Stunden der Fall sein.



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    Unsere ETOPS-Alternates heute sind Shannon und Gander, also auch nichts wirklich besonderes. Trotzdem wünscht man sich nicht dass mitten über dem Atlantik ein Triebwerk ausfällt.



    Weiter in der Planung geht es zum Treibstoff, heute haben wir 39000 Pfund dabei, dieser sollte die Triebwerke etwas länger als 8 Stunden laufen lassen, wobei dass angesichts des zu erwartenden etwas schlechteren Wetter in Boston nicht verkehrt ist.



    So sieht die Wettervorhersage aus:



    An unseren Enroute Alternates ist das Wetter auch nicht schlecht:



    Zweimal ausgedruckt und auf geht es zum Flieger. Den Tag zuvor hatten wir ihn komplett heruntergefahren, heute wurde uns schon wieder die External Power angeschlossen und wir können direkt loslegen.


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    Während der FO sich um den Powerup kümmert lade ich mir schnell über Datalink die Route direkt ins FMC herunter. Das spart einiges an Zeit. Direkt danach mache ich mich an den Walkaround, während der FO das Cockpit flugbereit macht.


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    Zurück im Cockpit mache ich mich daran, was unter uns Kollegen liebevoll „Kreise ziehen“ genannt wird. Dabei visualisieren wir unser ETOPS-Setup über Wegpunkte und Kreise, die man auf der Fix-Page einstellen kann. Als erstes mache ich einen Kreis um unsere Enroute Alternates der etwa einer Stunde Flugzeit entspricht. Das wären aufgrund des Windes bei Shannon 458 Meilen und bei Gander 466 Meilen. Als nächstes baue ich den ETP (Equal Time Point) in die Route ein. Unser Flugplan verrät uns, dass er 260 Meilen vor dem Wegpunkt N53W040 und auf der Koordinate N53 05.1 W032 48.6 liegt. Die Koordinate kann man einfach in das FMC eintippen und vor 5340N einsetzen. So wissen wir genau, ab wann wir nicht mehr nach Shannon zurückfliegen sondern geradeaus nach Gander weiterfliegen.


    Mittlerweile sind auch die Gäste eingetroffen, die die äußert luxuriöse Kabine direkt für sich entdecken und von unseren beiden Stewardessen umgehend kulinarisch verwöhnt werden.


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    Quelle: aerojetcorporate.com


    In der Zwischenzeit sind wir mit all unseren Vorbereitungen fertig geworden und bereit für das Anlassen der Triebwerke. Wir kontaktieren unseren Ramp-Agenten der uns prompt mit starkem schottischen Akzent antwortet:


    „GPU is disconnected and chocks are removed, all doors closed, cleared to start engines“.


    Das lassen wir uns nicht zweimal sagen, bei 20% N2 ziehen wir den Start Lever von CUTOFF zu IDLE. Kurze Zeit später wiederholen wir die Prozedur für das zweite Triebwerk und sind ready for taxi.



    Der Rampagent ist mittlerweile zur Seite verschwunden und gibt uns den Daumen nach oben, das heißt dass das gesamte Equipment vom Flieger weg ist und wir sicher losrollen können. Edinburgh Ground quittiert unsere Anfrage prompt:


    N721UF, taxi via U, Runway 30, M and A to holdingpoint D1 Runway 24“


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    Wir lösen die Parkbremse und setzen uns, geschuldet der geringen Zuladung, schnell in Bewegung. Nach kurzer Zeit und der Before Takeoff-Checklist finden wir uns auch schon kurz vor der Landebahn 24 wieder. Ohne Stopp werden wir direkt für den Start freigegeben.


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    Nach dem Lineup schiebe ich die Schubhebel bis etwa 45% N1 nach vorne und schalte danach den Autothrottle ein. Schnell beschleunigen wir, der FO meldet „Eighty!“ was ich mit einem „Check“ quittiere. Bei 141 Knoten erreichen wir die VR und ich ziehe die Nase langsam gen Himmel.


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    Nun steigen wir direkt durch auf FL370 und biegen ab Richtung Dublin.


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    Einige Zeit später wird es Zeit für die Atlantic-Clearence. Diese holen wir uns über Datalink um das ewige Rauschen auf Shanwick zu umgehen.


    Zitat

    N721UF, cleared Boston via NAT A, FL390, Mach .80, TMI169


    Nun beginnt die lange Zeit des Crossings. 3 Stunden lang nichts als Wasser. Zwischendurch wird die Ruhe auf dem Flightdeck durch die Stewardess unterbrochen, die uns fragt, was wir essen wollen. Ich entscheide mich für das Entrecote mit Bohnen in Speckmantel, der Co-Pilot gönnt sich Schweinemedalloins in einer Paprikasauce. Zwischendurch passieren wir noch unseren anfänglich einprogrammierten ETP und geben, wie es sich gehört, immer brav unsere Position Reports ab.


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    Nach etwa 4 Stunden enroute treffen wir nördlich von Gander wieder auf Land. Moncton begrüßt uns mit einem freundlichen „Good Morning, Squawk 3107“ und wir verlassen Flugfläche 410, auf die wir zwischenzeitlich gestiegen sind wieder auf ein gerades Level, in unserem Fall 400. Langsam aber sicher machen wir uns an die Anflugplanung für Boston. Über die OOSHN2 RNAV Arrival geht es über OOSHN und TTERI auf das ILS der 27. Wir intercepten dieses auf 4000 und folgen danach dem Glideslope. Wir planen die 27 am Ende zu verlassen und über M, Q, N und L zum GAT. Da die eingangs genannte Firma mehrere Flieger gechartert hat, ist dieses abgesperrt und es gibt genug Platz für uns.


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    Die Landung verlief wie erwartet, auch wenn es im Anflug etwas wacklig und böig war.


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    Nach 6:53h stellen wir die Triebwerke ab. Die Airstair raus und schon verlassen die Geschäftsmänner den Flieger – der Flug scheint gefallen zu haben. Direkt werden sie von einer Limousine abgeholt und verschwinden recht schnell zwischen den zahlreichen Gebäuden. Wir schalten den Flieger wieder „ab“, machen auch die Ground Power Unit aus und die N721UF wird dunkel.


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    Wenig später finden wir uns im General-Aviation Terminal und warten auf die Abholung in das Hotel. Doch zu sehr entspannen dürfen wir uns nicht… Der nächste Auftrag kommt bestimmt.


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    Nochmal danke (an alle die noch lesen) für eure Aufmerksamkeit :thumbup:


    Genutzte Addons:
    PMDG 737 NGX (+600/700 Extension)
    UK2000 Edinburgh
    FTX Scotland
    FlyTampa Boston v3
    FTX Global
    REX4Direct


    Sonstige Programme:
    PFPX
    Fraps
    Photoshop


    Grüße
    Max
    :)


    • Offizieller Beitrag

    Richtig geiler Bericht! Gerne mehr davon! :thumbup:

    "Also das nächste Mal in Bremerhaven hier an der Kojotenkoje... Kajüte... Wie heißt der Bums hier nochmal? Ach stimmt, Columbuskaje." – Goof, 27.11.2022

    - mit sehr überzeugter Stimme "Nein, das ist hier ein alkoholfreier Discord!" - Matze, 04.12.2022

    "Nee, mit 1,40m Körpergewicht kann ich das nicht verantworten." - Boeingman, 28.01.2023, im Bezug auf Rafis Inhalationsweizen

    Einmal editiert, zuletzt von Knöpfchendrücker ()